Die Seele als Giftmülldeponie
„Ihobs“: das neue Solo des Passauer Kabarettisten Sigi Zimmerschied in der Wiener „Kulisse“
profil 10/2000
Zimmerschied zieht vom Leder. Kulturamtsleiterinnen, Kritiker, Karriere-Kabarettisten, Veranstalter, Kleinkunst-Agenten, Politik, Publikum, Gott und die Welt – alle bekommen ihr Fett ab: wortgewaltig, metaphernreich, rechtschaffen böse und mit erwartungsgemäß inbrünstiger Intensität. Die erste Hälfte des neuen Solo-Kabarett-Stücks „Ihobs” von Sigi Zimmerschied ist ein rabiater, stellenweise fast reaktionärer Rundumschlag, frei von jeglichem Anflug relativierender Reflexion. Entsprechende Ratlosigkeit macht sich zur Pause breit. „Klingt fast so, wie ein Auftragswerk des Kärntner Kulturamts”, bemerkt ein Premierengast pointiert. Doch „Ihobs” hat einen zweiten Teil: Die Wut über das allmächtige Unbill und das Gejammere über das eigene Schicksal sind nur die geordneten Vorboten, nur ein beherrschtes Aufstoßen einer bis zum Rand mit Abscheu gefüllten Seele. Der autarke Abwehrmechanismus eines Organismus, in dessen tiefstem Inneren des giftigen Übels wahre Ursachen gären. Erst eine dammbruchartige Entladung bringt sie ans Licht. Kathartisches Kotzen als Kabarett? Nein, denn „Ihobs” ist bei Gott kein Kabarettprogramm, sondern ein trotz so mancher plakativen Spässe hintergründig-humoriges, vielfältig verstörendes und gegen Ende metaphysisch abhebendes Solotheaterstück eines unverbesserlichen Überzeugungstäters.
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