Vom Alltag ins Absurde
Der Standard 09/1994
Wie eine hautfreundliche, weiche Wolke schieben sich die Nummern zwischen den Betrachter und den Boden der Realität, lenken den Blick auf die Bühne, den Sternenhimmel der Illusionen. Nummern, die einen unweigerlich mitnehmen, von einer haltlosen Groteske zur nächsten Abstrusität des Alltags. Dazwischen der kurze Fall in die weichen Federn, das Erwachen – ohne eine Chance sich aus der Regungslosigkeit zu lösen. Himmlisch hilflos ausgeliefert, erstarrt in Faszination, wie in warmer Watte.
Hier muss der Teufel die Hand im Spiel haben, keine Frage. In jeder zweiten Nummer zwinkert er selbst durch die Zeilen – und Andreas Vitasek ist sein irdischer Sendbote. Oberflächlich harmlos und vergnüglich, doch unter der weichen Schale verbirgt sich der rauhe Pudelskern. Seine diabolisch-absurde Poesie, unter der die tragenden Säulen unserer Existenz (Familie, Auto, Beruf, Kirche, Tod) zu bröckeln beginnen, sein schüchtern-einladendes Lächeln, das jene Wellen der Sympathie auslöst, mit denen sich das Publikum nur selbst einlullt – ist das nicht die unverwechselbaren Methode des Pferdefüßigen?
Die „Bilanz“ des Andreas Vitàsek. Eine Spurensuche, hat er es genannt. Den Versuch, seine poetische Ader freizulegen, die sich wie ein roter Faden durch sein bisheriges Werk zieht. Und was ist daraus geworden? Ein arglistiges Netz der roten Fäden, gespickt mit unwiderstehlichen Ködern: Das unvermutete Zusammentreffen mit Gott, kurz nachdem Vitàsek die menschliche Schöpfungsgeschichte – mit zwei Bällen und einem Apfel jonglierend – veranschaulicht hat. „Muss ich wirklich niederknien? Mir tun die Knie höllisch weh – und satanisch die Ferse.“
Der pantomimische Kurzkrimi in einer heruntergekommenen Hafenkneipe in Marseille. Die Wohnung in außergewöhnlicher Lage, in der nicht nur die Möbel am Plafond stehen, sondern die Bewohner auch noch rückwärts reden: „Verkehrt sie sprechen warum ?“ Die Saat der Anarchie, die plötzlich, nur weil er statt der abgepackten vier Batterien nur zwei erstehen möchte, in einem Supermarkt ihre übermannshohen Blüten treibt. Und schließlich das entlarvende Maskenspiel rund um den Koffer mit dem furchteinflößenden Inhalt. Ein Reisender, ein Dieb, ein Mann, ein Idiot und ein Greis – eine wortlose Lebensgeschichte. Und im Koffer steht „Ende“.
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