Die hohe Kunst des Kabaretts
Der Standard 10/1999
Allzu selten passieren Programme, die dazu geeignet sind, die durch Dauerbelastung verschobenen Maßstäbe wieder zurecht zu rücken. “Pscht!” ist ein solches. Mit ehrfurchtgebietender Präzision, scharfsinniger Stringenz und ohne, dass auch nur ein einziges Mal ein Schummeln spürbar würde, erzählt und spielt Andreas Vitásek seine neuen Geschichten. Und erzeugt mit ihnen einen derartig nachhaltigen Gesamteindruck, dass die Hervorhebung einzelner Nummern in erster Linie den Unerwähnten Unrecht täte.
Vitásek pflegt in “Pscht!” – sehr viel mehr als in seinen vorangegangenen Programmen – den Stil der Conference. Einen freundschaftlichen, ungekünstelten Plauderton, der ihm thematisch eine leichtfüßige Sprunghaftigkeit ermöglicht, die ihrerseits bewirkt, daß die von ihm – aus vermeintlich abwegigen Gedankensplittern und zum Teil auch durchaus einfachen Pointen – zusammengesetzten Mosaike in ihrer ganzen Perfektion oftmals erst rückblickend zur Geltung kommen. Jeder Satz hat seine farbliche Funktion, jede Bewegung ihre gestalterische Bedeutung.
Entgegen seinen Gewohnheiten bleibt er dabei oft unabgehoben auf dem Boden der Realität. Die für ihn so typische Schwerelosigkeit – das Poetische und Parabelhafte, das Surreale und Skurrile – kommt durch ihren sparsameren Einsatz umso effektvoller zu zwischenspielerischem Einsatz.
Vitásek räsoniert augenzwinkernd aus der Ecke der Ratlosigkeit, er staunt, schimpft und spottet über Menschlichkeiten und – deutlicher als früher – über politische Tendenzen. Inhalt und Form sind erstmals wirklich gleichberechtigte Partner, die einander bei der Führungsarbeit – auf dem Weg zur amüsierten Einsicht – ständig abwechseln. Und bei all dem bleibt Vitásek der charismatisch-sympathische Geborgenheits-Spender, der einen zwei Stunden lang in seine Arme nimmt. Eine wahrhaft virtuose Variante der hohen Kunst des Kabaretts.
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