Monopoly ante portas?
Der Standard 05/1997
„Es ist gut für die Szene, wenn sie in Bewegung bleibt“ und „18 Jahre im Kabarett-Geschäft sind genug“, sagt Fritz Aumayr, Pionier der Wiener Kabarettszene und seit neun Jahren erfolgreicher Betreiber des zweitgrößten Kleinkunstlokals Wiens, und sucht einen potenten Nachfolger. Vindobona – wohin? Eine Entscheidung ist längst überfällig, denn Fritz Aumayr hat nur noch bis Ende des Jahres Künstler-Verträge abgeschlossen. Die Programmplanung muss in Häusern dieser Größenordnung allerdings üblicherweise 12 bis 18 Monate im Voraus betrieben werden.
Die Idee einiger namhafter Kabarettisten, das „Vindo“ in Selbstverwaltung zu übernehmen, scheiterte an Uneinigkeiten und der lukrative Plan eines steirischen Volksmusik-Produzenten, den Saal in ein ganzjähriges Bierzelt umzuwandeln, am hehren Credo Aumayrs: „Das Haus muss dem Kabarett erhalten bleiben!“
Nach wie vor auf der Liste der Möglichkeiten, wenn auch nicht an oberster Stelle, steht aber zweifellos jene, dass der unangefochtene heimische Kabarett-Marktführer E&A, der bereits die Kulisse und das Orpheum betreibt, seinen Einflussbereich auf die ca. 300 Besucher fassende Bühne am Wallensteinplatz ausdehnt. Somit wären dann rund 80% aller in Wien regelmäßig verfügbaren Kabarett-Sitzplätze in einer Hand. Und zwar überdies in der selben, die auch für das Management und Booking rund eines Dutzend heimischer Top-Kabarettisten verantwortlich ist. Darunter Dorfer, Düringer, Paal, Maurer, Resetarits, Schmidinger etc.
Die für eine funktionierende Demokratie ebenso wie für ein freies Spiel der Kräfte unerlässliche Gewaltentrennung – im vorliegenden Fall zwischen den Agenturen, Veranstaltern und den Kabarettisten selbst – ist somit bereits seit geraumer Zeit unterminiert. Die Übernahme des Vindobona durch E&A aber würde wohl einer Entwicklung vom Marktführer zum Monopol fahrlässig Vorschub leisten.
Auf der anderen Seite verfügt E&A zweifellos über das mit Abstand größte know-how am Kleinkunst-Sektor und kann seinen Kunden ein entsprechend umfangreiches Service bieten: von der ersten Presseaussendung bis zum letzten Vorhang. Nicht weiter verwunderlich daher, dass auch der Großteil der stalleigenen Zugpferde von E&A die Eingemeindung des Vindobona als die praktischste Variante favorisiert.
Bei den meisten anderen Künstlern, Veranstaltern und Agenturen löst selbige hingegen deutliches Unbehagen aus. Denn für außenstehende Kabarettisten – sofern sie nicht vom saalfüllenden Kaliber eines Hader oder Vitasek sind – ist es nicht immer ganz leicht, zu lohnenden Auftrittsmöglichkeiten in E&A-Lokalen zu kommen. Weiters fehlt im Hause E&A derzeit jeglicher zwingende Grund, offensiv Nachwuchsarbeit zu betreiben. Selbst einige Künstler aus der zweiten E&A-Riege fühlen sich bereits bisweilen von ihrem eigenen Management stiefmütterlich behandelt. „Steinböck & Rudle“ oder zuletzt Heli Deinboek haben daher ihre Verträge mit der in Tulln beheimateten Agentur wieder gelöst. Da aber gerade der Mut zu künstlerischen Innovationen, und konsequente Talente-Förderung wichtige Faktoren für eine langfristig erfolgreiche Kabarett-Szene sind, sind Sorgen um ihr Ablaufdatum in Anbetracht eines derartig ungesunden Kräfteverhältnisses nicht aus der Luft gegriffen.
An diesem Punkt setzen daher auch die weitgehend vergleichbaren Programmkonzepte zweier kleinerer Künstler-Agenturen an, die jeweils ihr lebhaftes Interesse am Vindobona angemeldet haben: Neben der Fortführung der bisher gewohnten, gewinnbringenden Programmierungs-Linie und der Nutzung des Raums auch tagsüber für Schul- und Kindertheater-Aufführungen, wollen sie vor allem dem Nachwuchs Chancen geben. Unter besonderer Berücksichtigung der jeweils eigenen Künstler – was ihnen angesichts der E&A-Macht nicht zu verübeln ist.
Welche der Bieter auch immer im Endeffekt durch die Finger schauen, sie können sich dann noch immer um das zwar nur gut 100 Besucher fassende, aber dafür umso traditionsreichere Spektakel bewerben, dessen langjähriger Betreiber Jack Hruby sich ebenfalls so bald wie möglich aus dem der – seiner Meinung nach – „Kommerzialisierung anheim gefallenen Kabarett-Business“ zurückziehen will.
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