Zweisame Spitze
Ursus & Nadeschkin – „Hailights”
„Schicken Sie Ihre Freunde, Verwandte und Nachbarn! Vielleicht finden Sie auch noch ein Mädchen im Keller …”
kabarett.at / 31. August 2006
Jetzt mal ganz ehrlich : die von der “Kulisse” stolz angekündigte “Österreich-Premiere” des Erfolgsprogramms “Hailights” ist ja eigentlich schon vor knapp 10 Jahren über die Bühne gegangen. Über eine sehr viel kleinere allerdings. Klein – aber oho. Denn tatsächlich waren es im April 1997 die sehr begrenzten Ausmaße und die geringe Höhe der Bühne im Ottakringer “Vorstadt”-Gasthaus, die das damals noch nicht wirklich prominente schweizer Clown- und Kabarett-Duo Nadia Sieger und Urs Wehrli, alias “Ursus & Nadeschkin”, vor die Wahl gestellt hatte, entweder gleich wieder abzureisen – oder auf die Schnelle ein angemessenes Programm aus dem Hut zu zaubern. Geplant war, dass sie im Rahmen der Veranstaltungsreihe “Fröhliche Vorstadt” ihr Programm “One Step Beyond” zum Besten geben – doch dafür war einfach kein Platz. Und so ward Wien im Laufe eines einzigen, lauschigen April-Nachmittags zur Geburtsstadt des Nummern-Potpurris “Hailights”. Ein erfrischend spontan zusammengeschweißtes Programm, das sich schon bald zu einem unverwüstlichen Dauerbrenner im Repertoire des Duos mausern sollte. Die abendliche Uraufführung fand damals allerdings vor nur knapp 30 Besuchern statt.
Inzwischen sind “Ursus & Nadeschkin” weltberühmt – und “Hailights” ein akkurat geschliffenes und mit allen Wassern gewaschenes Juwel der Kleinkunst. Seinen improvisierten Charakter hat es dabei aber nicht eingebüßt. Auch wenn inzwischen jeder Einwurf exakt geplant, jeder Unterbrecher punktgenau gesetzt und jeder Fehltritt präzise choreographiert ist, bietet das Programmgerüst noch immer jede Menge Möglichkeiten, aus der Hüfte zu extemporieren. Das Programm lebt – auch nach 10 Jahren noch. Und weil die Wahrheit in Wahrheit nicht immer wichtig ist, darf im August 2006 ruhig “Österreich-Premiere” drüberstehenen, wenn uns die fabelhaften “Ursus & Nadeschkin” endlich wieder einmal die Ehre geben. “Das letzte Mal, als wir in Wien waren”, erinnert sich Nadia augenzwinkernd, “das hat ja gar niemand gemerkt.”
“Ursus & Nadeschkin” sind ein unverbesserlich eingespieltes Duo zweier sorgfältig elaborierter Charaktere. Nadia gibt das unberechenbare, grell-gelbe Gör: ein hyperaktive Ulknudel auf einer emotionalen Berg- und Talfahrt. Eben noch übersprudelnd, spritzig und frech, dann plötzlich wieder schüchtern und scheinbar völlig verunsichert vom Leben. Urs ist da vergleichsweise eine Ruhepol. Einer, der Ordnung schaffen will, der Strukturen sucht und Rituale liebt. Ein Fels in der Brandung, auf dem Nadia umso herzenslustiger herumtollen kann. Eine klassische Konstellation : das konsequent chaotische Kind und sein liebevoller Erziehungsverzweifler.
Die mitreißende Komik von “Ursus & Nadeschkin” funktioniert mit und ohne Worte. In ihren haarscharf ausgefochtenen Streitgesprächen fliegen die Fetzen, dass es nur so eine Freude ist. “Es hat auch Vorteile, klein zu sein!” – “Freilich. Man wird später nass, wenn’s regnet.”
Und wer glaubt, mit Körperkomik nicht viel anfangen zu können soll sich bitte von den beiden aus dem Takt geratene Trocken-Synchronschwimmern eines Besseren belehren lassen. Dazwischen ist dann noch Platz für Aberwitz und Albernheiten, Akrobatik und ein wenig inzwischen vielleicht doch etwas verstaubt wirkende Jonglage – und jede Menge herzerwärmenden Humor. Im Bewusstsein ihrer unwiderstehlichen Ausstrahlung kombinieren sie hemmungslos die diversen Disziplinen der Kleinkunst und spielen abseits des Konventionellen fantasievoll mit all den Möglichkeiten, die ihnen ihre Zweisamkeit auf der Bühne bietet. Immer auf der Suche nach neuen, schrägen Überraschungen, mit denen sich Sehgewohnheiten und Erwartungshaltungen austricksen lassen.
Zum Beispiel mit der vom Publikum mit kurzer Atemnot quittierten abschließenden Aufforderung von Ursus, man möge doch bitte möglichst viele Bekannte dazu motivieren, eine ihrer beiden noch bevorstehenden Vorstellungen zu besuchen : “Schicken Sie Ihre Freunde, Verwandte und Nachbarn! Vielleicht finden Sie auch noch ein Mädchen im Keller …” .
Die hohe Breitband-Wirksamkeit der Unterhaltungskunst von “Ursus & Nadesckin” spiegelt sich auch in den Namen der im Premierenpublikum anwesenden, erklärten Fans von “Ursus & Nadeshkin” wieder : von “Steinböck & Rudle” bis Alf Poier. Wie schrieb letzterer in seinem “Sterbebuch” so enthusiastisch – als letztes Argument, falls Sie sich inzwischen noch immer keine Karten reserviert haben : “… das Schweizer Duo “Ursus und Nadeschkin” finde ich äußerst hervorragend. Da wird das Theater zur Seelenwohnung. Das sind für mich ganz, ganz große Leute, die mehr Dienst an der Menschheit leisten als so manche Weltverbesserer mit ihren gespreizten Benefiz-Ideen zur Rettung der barmherzigen Flickbürsten.” Amen. (pb)
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