Zwangsernährt mit Zwiderwurzn
Guido Tartarotti: „Liegestütze fallen uns Journalisten schwer, weil dazu müsste man ein Rückgrat haben. Kniebeugen fallen uns leichter.“
kabarett.at 10/2010
Tartarotti ist dagegen. War er immer schon. Glaubt er. Darum habe er es auch zu seinem Beruf gemacht. Aber hat er das wirklich. Oder war es umgekehrt ? Hat erst der Beruf aus ihm einen notorischen Widersprecher gemacht ? Das pointierte Nörgeln ist des Kolumnisten täglich Brot. Und es kann ihm ganz schön aus dem Hals heraus hängen. Dieses professionelle Abhängigkeitsverhältnis von der eigenen Unzufriedenheit. Und diese Zwangsernährung mit Zwiderwurzn.
Immerhin noch besser als Bärlauch. Tartarotti kategorisiert seinen engagierten Kampf gegen dieses bodennahe Blattwerk, das so riecht, „als ob die Bäume Schweißfüße hätten“, als „saisonales Thema“. Griffbereit in der Lade für Frühlings-Ärgernisse. Wahrscheinlich hat er für alle jährlich wiederkehrenden Ereignisse einen kleinen Ordner mit möglichen Themen. Falls es das Leben gerade so gut mit ihm meint, dass er sich aktuell über nichts zu echauffieren vermag.
Wobei ihm allerdings allein schon sein berufliches Umfeld genug Gründe für regelmäßige Fassungslosigkeiten bescheren dürfte. Vom geifernden Erregungsjournalismus bis zu unerfindlichen Zeitungs-Stilblüten. Dabei wäre er so gern mal „dafür“ und nicht immer „dagegen“. Oder – noch besser – auf Distanz zur Meinungspflicht. „Daneben“ eben. Man kann ja zu jedem Thema etwas sagen. Man könnte es aber auch einfach mal lassen.
Für sein Kabarett-Debut (Regie : Matthias Kempf) kombiniert Tartarotti Alltags-Anekdoten mit nahtlos eingeflochtenen, inszenierten Kolumnen-Texten und ausgefeilten Real- und Polit-Satiren zu einer gewitzten, persönlichen Leidenswegbeschreibung durch das Tagwerk eines Zeitungsschreibers. Inklusive eines ausschließlich aus Kronenzeitungs-Leserbrief-Zitaten geschickt gebauten, fiktiven Interviews. Entlarvend kann man das wohl kaum nennen. Aber in dieser Konzentration hat gefährliche Dummheit dann doch wieder einen unangenehm atemberaubenden Effekt.
Nicht ganz nachvollziehbar ist es, wie Tartarotti auf die Idee kommen konnte, seine hintersinnig pointierten Texte stellenweise mit – vermutlich vermeintlich kabarettbühnenwirksamen – billigeren Scherzen zu garnieren. Schon richtig : man merkt vielen seiner Sätze und Pointen an, dass sie einst für Leser und nicht für Zuschauer geschrieben wurden. Aber das tut der Freude keinerlei Abbruch. Im Gegenteil : Es hat Stil. Einen ganz eigenen. Einen, der sympathisch amüsiert, dass es eine Art hat. Einen, dem er demzufolge nur konsequent treu zu bleiben braucht.
Weit weniger sympathiepunkteträchtig ist es, jemandem, der gerade unter gewiss nicht unerheblichen Geburtswehen den mutigen Schritt von „Szenische Kolumnen-Lesung“ zu „Kabarett-Solo“ gewagt hat, zu raten, es mit der Inszenierung nicht zu übertreiben. Nichts gegen blindstichige Verkettungen, verbindliche Bögen und einen dramaturgischen Rahmen. Aber innerhalb Letzterem ist weniger manchmal mehr.
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