Ein bisschen stille Nacht muss sein
„Die Supernacht der Weihnachtsstars“
kabarett.at – 20. Dezember 2004
„Die spinnen ja alle!” Viel präziser, als mit dieser durchaus bewundernden Kurzkritik einer 17-Jährigen Zuschauerin, die heuer zum ersten Mal in den Genuss der „Supernacht” kam, lässt sich der alljährliche Weihnachtsspaß des mit allen Wassern des Ober- und des Unterlauf des Nonsens kräftig durchspülten „Weihnachtsstar”-Quintetts kaum zusammenfassen. Vom weit verbreiteten familiären Reizklima vor der Bescherung über die zwangsverordneten Weihnachtsriruale bis zum vor Betroffenheitsschwangerschaft berstenden Schlussakord – ein feierliches Fegefeuer, das mittels grotesker und komplett kranker Einschübe immer wieder fröhlich aus seinem realsatirischen Rahmen fällt.
Stille Nacht, heilige Nacht.
Dass es im Haushalt von Papa Günther (Thomas Maurer) und Mama Erika (Martin Piuntigam) zum unerlässlich guten Ton gehört, sich ausgerechnet am Heiligen Abend einen Stargast ins Haus zu holen, hat schon Tradition. Dass er aber geknebelt, gefesselt und in ein Christbaum-Netz verpackt den halben Abend lang unbeachtet am Fußboden herumliegen muss, eröffnet eine neue Dimension des menschenverachtenden Umgangs mit Prominenten. Ex-First-Lady Margot Löffler (Oliver Baier) ereilt dieses Schicksal versehentlich. Denn laut Engagement-Vertrag des eigentlich zur Feier des Anlasses gebuchten Roberto Blanco (Robert Palfrader) muss eigentlich nur eine “Präsidenten-Suite” zur Verfügung stehen. Doch Lesen ist nicht gerade Günthers Stärke – und darum hat er kurzerhand eine “Präsidenten-Witwe” entführt. Dem verhaltensauffälligen Sohnemann Herodes (Clemens Haipl) ist das alles herzlich wurscht. Ihm war Eminem als Stargast versprochen worden. Zur gespannten Stimmung trägt auch Günthers Langzeitgeliebte Jessica (Hosea Ratschiller) bei, die erstmals Weihnachten im trauten Kreis der Familie mitfeiern darf. Mit dem Segen von Erika, die mit verständnisvoll versteinerter Miene erklärt: “Weihnachten ist doch für Geliebte von verheirateten Männern, wie Silvester für Stadttiere”.
Ein bisschen Spaß muss sein.
Roberto Blanco hat naturgemäß nur ein Ziel : Dass sein Publikum für zwei Stunden seine Sorgen vergisst. “Wenn die Menschen nur halb so glücklich sind wie ich”, betont er wiederholt, “dann ist mir das auch egal.” Nach Darlegung seiner interessanten Rassentheorie liest er Auszüge aus seiner Biographie “Neger mit Köpfchen” vor. “Und so etwas leitet die UNO”, ist Margot Löffler erschüttert, die bis zum bitteren Ende davon überzeugt ist, Kofi Annan vor sich zu haben. Allen bohrenden Fragen über ihr Privatleben weicht sie diplomatisch aus. Alles nur Gerüchte. Und die angebliche Abtreibung? Da bricht plötzlich die Wahrheit aus ihr heraus: “Wollen sie ein Kind von Klestil ? Das wäre jetzt zwölf Jahre alt und Halbwaise. Man muss beim Abtreiben auch an die Kinder denken !”
Es ist ein Ros entsprungen.
Und die treibt – fest verwurzelt im Schlamm der Scheinheiligkeit – eine kuriose Blüte nach der anderen. Wolfram Pirchners kitschige Weihnachtslider-CD wird mittels Hackebeil rituell zerstört, Günther darf vor der Lesung aus Karl Mays “Weihnachten im Wilden Westen” noch schnell mit Jessica in den Hobbykeller zum Abspritzen und der nach einem alten Rezept frisch gebraute Weihnachtspunsch “muss riechen, wie ein alter Autoreifen”. Aber gegen den ausgiebig zerstäubten Fichten-Duft hat er im Rabenhof keine Chance. Weihnachtsstimmung aus der Raumspray-Dose. Da kommt dann so richtig feiertägliche Übelkeit auf.
Alle Jahre wieder.
Ein sagenhaftes Trash-Theater, auferstanden aus den Ruinen gutbürgerlicher Konventionen, zusammengesetzt aus all den Versatzstücken, die einem zu Weihnachten gehörig auf den Geist gehen, und dargestellt mit einer improvisationsfreudigen Outrage, die den Protagonisten vor lauter Spaß an der Freude immer wieder vorsätzlich zur stümpernden Bauernoper entgleitet. Getreu dem punkigen Motto : Proben ist feig. „Wenn das Publikum nur halb so viel Spaß hat, wie wir”, könnte das Credo des Ensembles lauten, „dann ist uns das auch egal”.
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