„Radio Supancic“ gehört gesehen
Mike Supancic – Humor mit Katastrophen aller Art
kabarett.at / 19. Jänner 2005
Immer auf der Suche nach geeigneten Gerüsten und Rahmenhandlungen für seine formal und inhaltlich vielfältigen und abwechslungsreichen Programmelemente bedient sich Mike Supancic in seinem neuen Soloprogramm einer durchschnittlichen Radiostation. Also einer dieser vielen Sender, deren Wortanteil stets zwischen bedeutungsschwanger aufgeblähten Belanglosigkeiten und simpler Sensationsgeilheit pendelt. Eine ideale Plattform, um diverse Fernsehformate, klassische Radioreportagen, Werbung und natürlich jede Menge Musik platziert durch den Kakao zu ziehen. Supancic gelingt das in seinem neuen Solo mit atemberaubender Rasanz.
In seiner „Tierecke“ lässt er einen Viechernarr zu Wort kommen, der seine Python am Kinderspielplatz grasen lässt und eine Bisonherde im Schrebergarten hält. In der „Gesundheitsecke“ darf ein gewisser Hademar Herz-Bankl die absonderlichsten Naturheilmittel-Rezepte verkünden. Sigi Bergmann liefert mit heftig rollendem „rrr“ u.a. Live-Einstiege von den „Wiener Bezirksmeisterschaften im Frust-Fressen“. In der „Kinderecke“ demonstriert Onkel Jörg, der Puppenspieler vom Wörthersee, dass er Gaddafi und Schüssel fest in der Hand hat – bevor er sich selbst als Puppe von Frank Stronach entpuppt. Der rasende Reporter Harry Krischna meldet sich beschwingt von diversen Familiendramen und Flugzeugentführungen. In der „Kochecke“ bereitet Jamie Oliver den Insassen des Flüchtlingslagers Traiskirchen eine bitter abgeschmeckte Henkersmahlzeit vor der Abschiebung zu. Um die „Gerichtsshow“ halbwegs treffend zu beschreiben, muss erst noch ein geeigneter Superlativ von Nonsens erfunden werden. Die Casting-Show „Österreich sucht den Superfleischhauer“ endet in einer blutrünstigen Schlachtorgie. Die Kino-Werbung lässt „Bockerer XIV – Die schwarz-blaue Wende“ hochleben. Und in politischen Belangssendungen wird u.a. das unfallträchtige Schicksal des Sozialministers besungen.
Nebst etlicher anderer erstaunlicher Programmpunkte gibt es auch ein musikantenstadliges Kinderlieder-Potpurri über alle Arten des Kindesmissbrauchs und ein fröhliches Naturkatastrophen-Medley. Und selbst bei derartig heiklen Themen beherrscht Supancic seine humoristische Gratwanderung. Denn spätestens mit seinem letzten Solo „Das Geheimnis von Imst“ hat er es geschafft, seinen früher oft etwas beliebigen, bunten Programmen einen unverwechselbaren, schwarzhumorigen Charakter zu verleihen: mit in ihrer Kompromisslosigkeit zwar an Brutalität grenzende Satiren, die aber so dicht pointiert sind, dass ihre oft schmerzhaft ungeschminkten Inhalte erst ins Bewusstsein vordringen, wenn das Lachen langsam verhallt.
Seine Kritik an Gesellschaft und Politik bringt er zwar spielerisch und fantasievoll, aber beinhart auf den Punkt. Und mit diesem vollführt er dann die aberwitzigsten Kapriolen. Was Supancic in seinen Liedtexten zusammenreimt, ist teilweise von geradezu großartig grotesker Komik. Von Strophe zu Strophe gelingt es ihm, seine bildhaften Szenarien immer weiter zu steigern. Und wenn du glaubst, es geht nicht mehr – dem Mike fällt immer noch ein Dreh ein, mit dem er seinen Katastrophen-Kaskaden die Krone aufsetzen kann. Und dann noch eine. Und noch eine …
Kritik ist höchstens bei seiner Hademar-Bankhofer-Parodie angebracht. Da liegt er stimmlich gar weit neben dem Original. Inhaltlich ist sie dafür umso entlarvender. Und seinem Musical über das Leben von Frank Stronach würde ein dem finanzstarken Anlass entsprechend bombastisch produziertes Playback sehr gut tun. Ganz abgesehen davon, dass es ihm bei der Bewältigung der komplexen Nummer helfen würde.
„Radio Supancic“ ist nämlich ganz generell ein Programm, das dem Künstler alles abverlangt. Von der Textmenge her ebenso, wie musikalisch, stimmlich und schauspielerisch. Vor allem bei seiner darstellerischen Leitung macht sich die intensive Probenarbeit mit I Stangl und O. Lendl positiv bemerkbar. Von seiner einstigen Unbeholfenheit ist nicht mehr viel übrig.
Fazit : Viel spaßiger kann Kabarett kaum sein. Saukomisch – und das, ohne jemals zu versuchen, unter Niveau Lacher abzustauben. Dem Senderslogan kann man sich also vorbehaltlos anschließen : „Radio Supancic gehört gesehen“.
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