Die hohe Latte und der Fluch des sechsten Sinns
Falter 10/2015
Zunächst kommt einem David Fincher in den Sinn. Denn „Gott & Söhne“ wirkt anfänglich, als habe er zwei Schauspieler damit beauftragt, den Plot von „Se7en“ zu einer Screwball-Komödie umzuschreiben: Thomas Stipsits und Manuel Rubey sitzen auf der Bühne und erarbeiten ihr Stück über die sieben Todsünden, schreiben Szene für Szene, proben und spielen, steigen wieder aus und schreiben um – bis sich ihr Werk plötzlich unheilvoll verselbständigt. Scripted Reality im Analog-Modus. Eine durchdachte und verschachtelte Dramaturgie. Was ihr fehlt, ist inhaltlicher Zug und Zweck.
Denn das perfekt eingespielte Duo bietet vorwiegend flottes Rollenspiel und funktionellen Klamauk nach altbekannten triestinischen Strickmustern. Nur diesmal nicht mehr als komisches Kontrastmittel in einer verwirrenden, spannenden und schlussendlich berührenden Geschichte, sondern als sketchparadige Fassade für eine artifiziell verkomplizierte Story über ein Heilsversprechen und viele Todesfälle.
Bei bewährten Formen und Figuren nur Text und Kontext zu verändern, hat sich bereits in Stipsits’ Soli als Erfolgsrezept erwiesen. Zum Gaudium der Gemeinde noch rasch ein wenig Publikumsbeteiligung, ein paar billige Kalauer-Stafetten und eine alberne Tanzeinlage: That’s entertainment, folks! Sie können sich ja prompt wieder distanzieren: Ach, das ist zu billig, das streichen wir wieder.
Vier Jahre lang haben Stipsits & Rubey ihr grandioses Debut „Triest“ gespielt. Jetzt ist Erntezeit: „Gott & Söhne“ war schon vor der Premiere auf Monate hinaus ausverkauft. Doch es ist nicht illegitim, Künstler an ihrem großen Wurf zu messen. Night Shyamalan“ („The Sixth Sense“) kann davon Lieder singen. Und Trost spenden: „Always in life“, erkannte er einst, „bad times will lead to great times.“
0 comments on Die hohe Latte und der Fluch des sechsten Sinns