Es war einmal in Stinatzerberg …
Ein unheimlicher „Winterthriller“ aus der Burgenländischen Bergwelt : Ein verteufeltes Haus, ein fliegender Holländer und eine unvollendete Schachpartie. Stipsits bislang bestes Programm.
kabarett.at 10/2010
Schon beeindruckend, wenn der Premiereneinladung eine Liste mit Auftrittsterminen beigelegt ist, die verheißt, dass bereits alle 23 Vorstellungen bis Ende November restlos ausverkauft sind. Am 1. Dezember im Grazer „Orpheum“ wäre noch Platz. Wer „Bauernschach“ in Wien sehen will und noch keine Karten hat, sollte sich rasch welche für 2011 sichern. Einen derartig massiven Vorschusslorbeerkranz flicht ein Kabarettpublikum gar selten. Doch siehe, es weiß, was es tut. Denn mit „Bauernschach“ krönt der Stinatzer Kabarettist seine bisherige Kleinkunstkarriere. Gratulation.
Im Mittelpunkt der ganz schön spannend und rätselhaft gestrickten Handlung steht das ehemalige Haus des Schachgroßmeisters Nikolai Rachimov in Stinatzerberg. Dort geht es nicht ganz mit rechten Dingen zu, wie der neue Besitzer Thomas Stipsits schon bald feststellen muss. Denn Rachimov soll sich einst auf eine Schachpartie mit dem Teufel eingelassen haben. Und so etwas hinterlässt natürlich unheimliche Spuren.
Damit noch nicht genug. In der Nachbarschaft wimmelt es nur so von eigentümlichen Charakteren, die dem Zuzügling ihre Aufwartung machen. Eine ideale Spielwiese für den Typen-Darsteller Stipsits. Seine Charakterzeichnungen haben in „Bauernschach“ stellenweise eine neue Qualität bekommen. Ihre Komik beziehen die Figuren nämlich nicht mehr vorrangig aus albernen Sprachfehlern und künstlichen Verhaltensauffälligkeiten, sondern durchwegs aus pointiertem Sprachwitz und exakter Verkörperung.
Da wäre zum Beispiel Christoph Maria Herzog : ein deutscher Ex-Burgschauspieler, Theaterbesserwisser, Kulturschnösel und Bezirksfestivalintendant mit diesem unsäglichen Dialekt, der zustande kommt, wenn ein Piefke vergeblich versucht, sich des Wienerischen Idioms zu bemächtigen. Unangenehmer können Anbiederung und Arroganz kaum klingen. Oder der frühpensionierte Religionslehrer Joe, der seine nervige Hyperaktivität auch nicht mit Dauerkiffen in den Griff bekommt. Und ein in die Burgenländischen Berge strafversetzte Tiroler Jäger : „Ich find schon einen Schuldigen. Ich bin schließlich Katholik !“
Vielleicht die drei markantesten der insgesamt rund ein Dutzend höchst unterhaltsamen Charaktere, die Stipsits in „Bauernschach“ auf die Bühne bringt. Zusätzlich hat Regisseur Andi Peichl einige Geräusch- und Lichteffekte so geschickt platziert, dass tatsächlich oft der Eindruck entsteht, es wäre mehr als nur eine Person auf der Bühne.
So bietet „Bauernschach“ eine schön ersponnene und durchaus fesselnde Rahmenhandlung, die Stipsits jeden Raum bietet, seine Kabarett-Künste unaufdringlich vorzuführen. Inklusive seines frechen Improvisationstalents bei einer Publikumsbeteiligungs-Nummer und seiner Begabung als Stimmen-Imitator bei einem verqueren Austropop-Parodien-Potpurri. Beachtlich, dass er diesem abgelutschten Standard noch eine originelle Facette abzugewinnen vermag.
Der letzte Zug in dieser spannenden Schachpartie kommt dann recht plötzlich. Statt jeder Figur ein individuelles Ende zu bescheren, lässt Stipsits ein wuchtiges, metaphysisches Finale niederdonnern. Ein fast schon philosophisch unterfüttertes „finis ex machina“. Etwas enttäuschend vielleicht. Aber das jüngste Gericht klopft schließlich vorher auch nicht an und fragt, ob’s gerade passt. Und die meisten Bauern stehen auch nur blöd daneben, wenn der König matt gesetzt wird. Da spielt’s dann auch keine Zugaben mehr.
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