Es brennt unter den Nägeln
Zurück in die Zukunft: Mit „Ausrichten“ und Rupert Henning nimmt Erwin Steinhauer Abschied vom Abschied vom Kabarett.
profil 01/2001
Im Juni 1992 stand Erwin Steinhauer zum letzten Mal mit einem eigenen Kabarettprogramm auf einer Bühne. Frustriert vom Metier und dessen Folgenlosigkeit hatte der Publikumsliebling verkündet, sich hinkünftig wieder ausschließlich der Schauspielerei widmen zu wollen. Fast neun Jahre später kehrt er nun zum Kabarett zurück. Aber nicht mehr wie damals als „Solist mit Pianist“ (Arthur Lauber), sondern als Kabarett-Duo – zusammen mit dem Autor, Schauspieler und Regisseur Rupert Henning, der in letzter Zeit vor allem mit TV-Drehbüchern erfolgreich war, aber auch für die Inszenierung des Maurer/Scheuba-Programms „Zwei echte Österreicher“ verantwortlich zeichnet.
Maurer und Scheuba zählen neben Ulli Brée und Fritz Schindlecker auch zu jenem Autoren-Team, mit dem zusammen Steinhauer und Henning zur Zeit ihr Programm „Ausrichten“ erarbeiten. Premiere ist am 1. März im „Karl-Kraus-Saal“ („Neuer Saal“) des Konzerthauses.
Herr Steinhauer, im Juni 1992 haben Sie sich vom Kabarett verabschiedet, weil Sie – wie Sie sagten – nicht immer dem gleichen Publikum das Gleiche sagen wollten. Was hat Sie nun zur Rückkehr bewogen ?
STEINHAUER : Ich denke, es ist eine Art von Juckreiz. Neun oder zehn Jahre lang war das Feuer zwar weg, aber die Glut war immer da. Außerdem hoffe ich, dass sich das Publikum 2001 ein bisserl vom Publikum Anfang der 90er unterscheidet : dass der Grad der Sensibilität und der Hellhörigkeit ein bisserl höher geworden ist. Weil die Zeiten anders geworden sind.
War die politische Entwicklung der unmittelbare Anlass für „Ausrichten“ ?
STEINHAUER : Absolut. Entstanden ist die Idee für das Programm aber usprünglich schon vor den Wende-Wahlen. Da haben wir bereits gewusst : Wir müssen etwas machen, weil es brennt uns beiden irgendwie unter den Nägeln.
Josef Hader hat einmal pointiert formuliert, das einzige, was Kabarett wirklich nachhaltig ändern könne, sei den Kabarettisten selbst …
STEINHAUER : … oder sein Konto. Daran, daß man in diesem Land durch Kabarett konkret etwas ändern kann, glaube ich auch nicht. Das ist das letzte Mal dem Bronner mit „Der Papa wird’s scho richten“ gelungen. Aber es kann zu einem Akt der Notwehr werden.
HENNING : Das ist auch ein Teil der Motivation : mit etwas auf die Bühne zu gehen, das frisch aus der Feder kommt, unmittelbar aus dem Jetzt und aus dem Bedürfnis heraus. Auch aus dem Bedürfnis nach Unabhängigkeit. Hier pfuscht uns keiner rein !
STEINHAUER : Ansonsten haben wir beide ja immer die Möglichkeit zu sagen, das Drehbuch war schlecht, der Regissseur, das Ensemble, das Licht, der Schnitt oder das Stück. Aber jetzt gibt es keine Ausreden mehr.
Aber es gibt einen Autorenpool …
HENNING : Das hat den Grund, dass wir uns – so unglaublich kitschig das auch klingen mag – als Platform verstehen wollen. Ich habe einfach in den letzten Jahren nur gute Erfahrungen damit gemacht, mit den paar für mich maßgeblichen Menschen zusammenzuarbeiten, die als Satiriker und Kleinkünstler zu den Zuständen in diesem Land etwas zu sagen haben. Und deren Texte möchte ich auch gerne spielen.
STEINHAUER : Ganz wichtig war für mich auch das Bewußtsein, dass ich bestimmt nicht einfach dort weitermachen würde, wo ich aufgehört habe. Es war ja damals schon so, dass viele Leute sogar mit ihren Kindern in meine Programme gekommen sind, weil es bei mir anscheinend eine so nette Unterhaltung mit vielen lustigen Nummern gab. Das Drumherum oder das Dazwischen hat man halt irgendwie in Kauf genommen. Diese Möglichkeit gibt es jetzt nicht mehr. Es wird spröder, verwirrender – und es hat mehr mit mir zu tun. Das ist durchaus als Warnung zu verstehen.
HENNING : Die Frage ist doch : Für wen spielt man jetzt eigentlich Kabarett ? Für wen setzt man sich hin und macht sich die ganzen Gedanken ? Wenn dann unten womöglich einer sitzt, Erwin, der sagt : „Naja, früher woara scho lustiger. Jetzt issa hoit nimma so lustig“.
STEINHAUER : (spinnt den fiktiven Monolog fort) „Und die Musik, i waß net …“
HENNING : „Jo, der Lauber … dünn ist er gwordn, der Lauber.“
STEINHAUER : (lacht) „Oba vü jünger“
HENNING : „Jo, obgnummen hot er. I hob ja goa net gwusst, dass der auch spün kann. Naja, oba früher hat er ja auch schon immer a bisserl mitspün dürfen, der Lauber …“
STEINHAUER : Hör auf, Rupi, bitte ! Wir sagen ab.
Herr Henning, seit Ihren Anfängen im „Graumanntheater“ Ende der 80er waren Sie ja persönlich eigentlich kaum noch als Kabarettist aktiv auf der Bühne. Mit Ausnahme vielleicht Ihrer Saison im „Simpl“ 1995 …
STEINHAUER : Was, bitte ? (lacht) Das habe ich ja gar nicht gewusst. Du warst wirklich im „Simpl“ ? So wie ich 1977 ?
HENNING : Ja, ich mach Dir alles nach. Unter anderm habe ich dort einen Marsmenschen gespielt. Das war ein Glanzlicht.
STEINHAUER : (lacht noch immer) Gibt es das Kostüm noch ? Wollen wir das verwenden ? Wollen wir an das anknüpfen ?
HENNING : Ich glaube, da möchte ich nicht so gerne anknüpfen.
Zusammen auf einer Bühne gestanden haben Sie 1997 in dem Stück „610 Bedford Drive“ in der „Drachengasse“, kennengelernt haben Sie einander aber bereits Ende der 80‘er bei einer Hörspielproduktion …
STEINHAUER : Richtig. Ein Artmann-Hörspiel. Damals hat der Rupi zu mir gesagt, dass er meine Texte alle auswendig kann.
HENNING : Ich habe meine damalige Lebensgefährtin ununterbrochen damit genervt, dass ich mir Steinhauer-Videos reingezogen habe. Es gab für mich so eine bestimmte Komiker-Spanne : nämlich John Cleese und Erwin Steinhauer …
STEINHAUER : Habe die Ehre ! Und Deine Lebensgefährtin hat sich dann getrennt von Dir ?
HENNING : Natürlich.
Welche Eigenschaften waren es denn, die Sie am Steinhauer’schen Kabarett so geschätzt haben?
HENNING : Nachdem ich damals auch mehr als Darsteller an Texte herangegangen bin, war es vor allem die schauspielerische und menschendarstellerische Brillianz, die mich am Erwin gereizt hat.
STEINHAUER : Das Formale …
HENNING : Ja, aber es darf natürlich auch nicht inhaltlich völlig entleert sein, weil sonst ist es Comedy, wie es ja mittlerweile so schön heißt …
STEINHAUER : … wo auch sehr viel sehr schlecht gespielt wird …
HENNING : … und der Erwin hat halt früher „Unterhaltung mit Haltung“ gemacht. Das ist natürlich ein Slogan, den man …
STEINHAUER : … nimmer hören kann !
HENNING : Einerseits nimmer hören kann, auf der anderen Seite ist es aber so mit vielen Dingen, die man nicht mehr hören kann, dass sie grundsätzlich gut und richtig sind. Wo ist denn heute die Haltung bei der Unterhaltung ? Sagen wir einmal so : Der totale Rückzug ins Innere, der in der Kleinkunst in den letzten Jahren Erfolge gefeiert hat, ist halt auch manchmal nur eine vornehme Ausrede, um nicht auf einer Bühne eine Meinung zu vertreten und zu sagen : Das ist richtig und das ist falsch!
Nicht umsonst heißt das Programm „Ausrichten“. Und „Ausrichten“ kann man zwar in der klassischen, negativen österreichischen Bedeutung verstehen, ab er es heißt auch „Dinge geraderichten“ und „Dingen eine andere Richtung geben“. Oder auch dem Publikum etwas ausrichten, was man ihm bislang so noch nicht gesagt hat.
STEINHAUER : Das für Österreich Typischste ist aber zumeist das „nix ausrichten“.
HENNING : Das ist oft der Endeffekt, ja.
STEINHAUER : Nach dem Motto : „I wea eana jetzt wos ausrichten – oba i wea damit woascheinlich nix ausrichten“.
- „Ausrichten“, Erwin Steinhauer & Rupert Henning, 1.3. bis 28.4. im Konzerthaus, 3., Lothringerstr. 20, Kartenvorverkauf unter 712 12 11
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