Allein zu zweit
Der Standard 09/1994
„Ich sehe den Standard-Kritiker in der ersten Reihe: Er weint noch immer.“ Eine gewagte Behauptung, die der letztere der Kabarettisten „Steinböck & Rudle“ da im Verlauf des neuen Programms „Solo“ aufstellt. Drängen sich doch dem Erwähnten weniger die Tränen in die Augen als Vergleiche mit diesem Duo ähnlich einmaligen Zweierkombinationen auf: Knödel mit Ei zum Beispiel. Simpel in den Zutaten – unschlagbar im Ergebnis.
„Steinböck & Rudle“, jene zwei Schauspieler, die vor eineinhalb Jahren mit ihrem Debütprogramm „Butterkipferl“ einen neuen Maßstab für klassisches Nummernkabarett jenseits jeglicher Tagespolitik schufen und bundesweit rauschende Erfolge feiern konnten, dokumentieren mit ihrem zweiten Werk ihre erfreuliche Entwicklung weg von der seichten Sketch-Parade.
„Solo“ entpuppt sich als eine von Irr- und Aberwitz gesäumten, höchst unterhaltsamen Gratwanderung zwischen Autobiographie und Fiktion: Auf der einen Seite der Hang zu erstaunenden Grotesken, auf der anderen der zum köstlichen Klamauk. Die Geschichte vom gemeinsamen Erfolg, vom Zerwürfnis, von den jeweiligen Solo-Karriere-Versuchen und schließlich der glorreichen Wiedervereinigung des Duos „Steinböck & Rudle“, strotzt vor dramaturgischen Raffinessen und phantasievollen Kapriolen, mit denen höchstens der Text phasenweise nicht mithalten kann.
Die fliegenden Wechsel von einer Realitätsebene zur nächsten, die bewusst eingesetzte Text/Bild-Schere, das unüberhörbare Abkupfern gestandener Kabarett-Größen – nur einige der vielen Stilmittel, derer sich Herbert Steinböck und Gerold Rudle ob ihrer schauspielerischen Fähigkeiten zum Transport ihrer Pointen bedienen können: Ob sich nun zwei Catcher beim Sparring über gewaltlose Erziehung unterhalten, ein simpler Restaurantbesuch ein geradezu unheimlich wechselwirkungsvolles Verhältnis zwischen Gast und Kellner provoziert oder ein faschistoides Hühnerei seinen Käufer dazu zu überreden trachtet, es doch als Wurfgeschoss gegen einen Politiker einzusetzen, in dessen Nähe es sterben möchte.
„Damit ist uns endlich der Avantgardepreis der Wiener Festwochen sicher“, lautet Teil zwei des eingangs begonnenen Zitats – und steht somit an inhaltlicher Abwegigkeit dem ersten Teil – gottlob – um nichts nach.
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