Furchtbar, aber witzig?
Der Standard 10/1994
Freitag war Feiertag im Niedermair: Hausherr I Stangl präsentierte zusammen mit dem Ein-Mann-Orchester Georg Graf sein 10. Kabarett-Programm „Furchtbar witzig“. Auf welchem seiner Bestandteile dieser Titel allerdings zu betonen ist, darüber war sich das Premierenpublikum auch nach Ende der Vorstellung nicht einig. Furchtbar sind die müden Flachland-Pointen, die Stangl als intensive Symbole für die derzeitige österreichische Unterhaltungskultur mit gewohnter Boshaftigkeit über das Programm verteilt. Wertvoll und witzig sind hingegen vor allem jene Programmteile, die eigenständigen Nummern-Charakter haben: Das western-romantische Treffen der Großstadt-Carboys in den ewigen Matzleinsdorfer Jagdgründen währen ihrer unendlichen Suche nach einem Parkplatz, oder die Begegnung zweier ebenso arbeitsscheuer wie pseudo-elitärer Snobs vor dem Champagner-Regal eines Supermarkts auf der ebenso unendlichen Suche nach alternativen Geldquellen. In der übrigen Zeit von „Furchtbar witzig“ pendelt I Stangl zwischen diesen beiden Polen in der schwammig-humorigen Grauzone der Alltäglichkeits-Groteske und des Beziehungskisten-Zynismus: mal etwas furchtbar, mal etwas witzig. Als könne er sich nicht dazu durchringen, sich vom allgegenwärtigen schlechten – aber wirkungsvollen – Humor gänzlich zu distanzieren. Oder aber, ihn so konsequent zu persiflieren, wie ein Martin Puntigam. Selbst die Moral von der Geschichte, zu der Stangl am Ende ausholt, kann sich nicht entscheiden, ob sie ernst genommen werden will, oder die betroffenheitsheischenden, klassischen Kabarett-Finali auf die Schaufel nimmt. Und was will er mit der Zugabe, in der er einen derartig umfassenden Rundumschlag auf die gesamte österreichische Barden- und Komikerschaft vollführt, dass von differenziertem Austeilen nicht die Rede sein kann. Und was hat es schließlich zu bedeuten, dass ausgerechnet in einer Bydlinski-Parodie die beste Pointe des Abend steckt: „Wie heißt das Reh mit Vornamen? – „Richtig: Kartoffelpü!“ Ein rätselhaftes Stück Kabarett, das vielleicht nur deshalb vorgibt, es stecke mehr dahinter, um sich später umso lustiger über das gutgläubige Publikum zu machen. Vorsicht: Furchtbar witzig.
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