Schunkel-Spagat auf der Lärmschutzwand
„Wenn der Neid in Wien a Gipfel war – der Himalaya hieß Talstation.“
kabarett.at 03/2011
„Wenn ich eine Henne wäre“, erläutert Christof Spörk seine Herkunft, „müsstet ihr das Doppelte für mich bezahlen.“ Sollte es irgendjemandem zu diesem späten Zeitpunkt im ersten Solo-Programm des „Global Kryner“-Klarinettisten und „Die Landstreich“-Mitglieds noch entgangen sein, dass es sich bei ihm um einen Binnenmigranten aus gesunder, steirischen Freilandhaltung handelt. Seine Sprache, Inhalte und die Knöpferlharmonika hatten es bereits erahnen lassen.
Mit einer anfänglich stets kommerziell vielversprechenden Unbedarftheit und ungetrübter Fröhlichkeit entgleiten ihm seine Hütten-Schlager und volkstümlichen Weisen aber dann zumeist schon nach wenigen Zeilen in die Doppelbödigkeit kritischer, teils bös-witziger Protestsongs.
So wird das nichts mit der Hitparade, Herr Spörk! Wer sich im leutseligen Schunkelgewand wildromantischer „Schneekanonen im Abendrot“, landschaftsverschandelnder „Lärmschutzwände“ und ortsbildentstellender „Schlecker-Märkte“ annimmt, ist dazu verdammt, sein Schaffen auf Kleinkunstbühnen zu präsentieren. Gut so.
Wobei es Spörk durchaus zuzutrauen wäre, sich sogar mit derartigem Liedgut unbemerkt in den Musikantenstadl einzuschleichen. Wahrscheinlich würde es niemandem auffallen. Denn die Rolle der rustikalen Rampensau beherrscht Spörk perfekt. Er spielt sie nicht nur : er ist in Wahrheit wirklich ein schwungvoller Bühnen-Entertainer mit einnehmendem Wesen, der Spaß daran hat, seine Publika in Freundeskreise zu verwandeln – und sie dann zum hemmungslosen Mitposchn zu animieren.
Ja, streckenweise geht’s bei „Lieder der Berge“ wirklich zu, wie im Volksfest-Bierzelt. Eine bestens bewährte, aber auf Dauer etwas nervige Stimmung der fröhlich schwankenden Verbrüderung, auf der kabarettistisch aufzubauen ein nicht unbeträchtliches Risiko birgt. „Lieder der Berge“ (Regie: Peter Wustinger) ist daher immer wieder ein bedenklicher Spagat: zwischen der Absicht, die Mechanismen der Volksmusik – „die Kunst, die Einfachheit mit dem Simplen zu verbinden“ – zu persiflieren und zu entlarven, sich aber gleichzeitig seiner bewährten, eingängigen und publikumswirksamen Muster zu bedienen.
Am überzeugendsten ist Spörk dann, wenn er treffsicher mit Schutzpatronen auf den Heiligenkalender schießt oder aufgeschnappte Alltagsrassismen zu scharfkantigen Sittenbildern verdichtet. Dass er ein versierter Musiker ist, der unangestrengt und mutig zwischen den Genres – von Volksmusik über Blues, Swing und Jazz bis Bossa Nova – pendelt, zeigt sich auch in seinem virtuosen Umgang mit seinen wortdichten Texten. Spörk hat den Rhythmus im Blut. Nie mündet sein stets pointiertes Mitteilungsbedürfnis in Taktlosigkeit, egal wie viele Silben er auch in eine Zeile packt.
Jetzt noch etwas Mut zu Abzügen in der Sympathiewertung, ein paar mehr charakterliche Ecken und Kanten als Kontrastmittel – und nie käme jemand auf die Idee, dass es sich bei diesem Programm in Wahrheit ja um ein Solo-Kabarett-Debut handelt. Sehr beachtlich !
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