Spitz Oddity
kabarett.at 05/2006
Wem bei Textzeilen wie „Keep your electric eye on me, babe“ oder „Oh no, love, you’re not alone“ nicht ganz von selbst dieses wohlige Kribbeln überfällt, diese Mischung aus nostalgischer Wehmut und kraftvoller Ungezähmtheit, in der sich die einstige Gewissheit noch einmal aufbäumt, die Welt verändern zu können, der hat es offenbar irgendwie geschafft, spurlos an David Bowie vorbeizukommen. Vielleicht durch die Strafe der späten Geburt. Die einzig verzeihliche Variante. Auch für die seit 23 Jahren in Wien beheimatete Schauspielerin und Sängerin Barbara Spitz liegen in diesen Lyrics die Restwerte ihrer vermutlich ziemlich wilden Jugend im London der 70er Jahre. „Diese Musik war meine Teenage Rettung“, schreibt sie im Folder für ihre eigenwillige Hommage mit dem Titel „Project Moonage Daydream“, die am Sonntag ihre Premiere im Foyer des „Stadttheater Walfischgasse“ erlebte. Wahnsinn!
Noch mal zum Mitdenken: eine ehemalige Punkrockröhre, die Kabarett-Fans als lederkluftige Sängerin des Songs „Muttertag“ im gleichnamigen Kinofilm von Harald Sicheritz bekannt sein könnte, lädt am Muttertag in einem unterirdischen Raum, der den verzweifelt gepflegten Charme der VIP-Lounge des Flughafens Bratislava ausstrahlt, zu einer „Reise durch David Bowies Glamrock-Landscapes“. Da werden Drogen überflüssig.
Bei diesem – „very strange, very personal“ – Unterfangen bedient sich die sympathische Frontfrau zweier ebenso engagierter wie virtuoser Musiker. Jörg Ulrich Krah (Cello) und Armin Steiner (Computer/Synthesizer) sind keine Begleitinstrumentalisten. Nein, sie prägen den Abend. Krah spielt sein Instrument nicht nur, er streichelt und schlägt es auch, lässt es orientalisch jammern, irisch dudeln oder nostalgisch swingen. Und wenn er es zupft, klingt es manchmal wie eine japanische Koto. Steiner zaubert dazu die beats und die sounds. Relaxte oder groovige Percussions-Teppiche und Playback-Tracks, in die er Pfeifen, Knistern und andere, üblicherweise als Störgeräusche kategorisierte Töne hinein verwebt. Zusammen ergibt das eine klangliche Bandbreite, die von „Buddha-Bar“ bis zu experimentellem Noise reicht. Und genau das war wohl die Aufgabenstellung der Initiatorin.
Ein paar Cover-Versionen auf die Bühne zu bringen wäre Barbara Spitz zu billig gewesen. Daher hat sie neben den Gassenhauern „Moonage Daydream“ oder „Ziggy Stardust“ auch etliche weniger bekannte Bowie-Nummern wie „Cracked Actor“ oder „Five years“ ins Programm eingebaut. Ihre Interpretationen sind hochgradig eigenständig. Den „Starman“ befreit sie fast völlig von der ja eh allgemein bekannten Melodie, bei „Time“ verzerrt Steiner ihre Stimme zu einem Fauchen. Sie singt, säuselt, rezitiert – und das mit einer Stimme, die einem zu keinem Zeitpunkt egal sein kann. Sanft, aber eindringlich. Oder schneidend – mit einem leicht brüchigen Unterton.
Das Programm gibt es laut Beipackzettel übrigens „in englischer und deutscher Sprache“. Und das ist nicht als „entweder, oder“ misszuverstehen. Barbara Spitz pflegt jenes entzückende Kauderwelsch, dessen unvermeidlicher Unterhaltsamkeit sich auch beispielsweise eine Gayle Tufts bedient. Und in diesem Denglish erzählt sie auch von jenem großen Augenblick am 5. Juli 1972, da sie als Besucherin einer Aufzeichnung von „Top of the Pops“ plötzlich David Bowie persönlich gegenüberstand. Spitz & Co gelingt es, dass dieser Funken der Faszination überspringt. Und das, obwohl – sagen wir mal so – das Programm noch nicht überprobt ist. Da ist unüberhörbar noch mehr herauszuholen. Ein angenehm chilliger, spannender und an manchen Stellen zum Heulen schöner Abend – nicht nur für Bowie-Fans – ist das „Project Moonage Daydream“ aber schon jetzt.
- 15. & 16. Mai, Stadttheater Walfischgasse, Walfischgasse 4, 512 42 00, 20:30 Uhr
- 21. Mai, Bar & Co / Theater Drachengasse, Fleischmarkt 22, 513 14 44, 20:00 Uhr
- 8. & 9. Juni, MQ / Kunsthalle Wien („Summer of Love“), 521 89 33, 21:00 Uhr
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