Entfesseltes Freistilsingen
Der Standard 04/1995
Florence Foster Jenkins, markerschütternd atonales, sopranes Jahrhundertereignis, konnte gewiss vieles – nur nicht singen. Das 8-köpfige Ensemble der unter der Patronanz dieser Dame stehenden neuen Simpl-Produktion singt ganz hervorragend – und kann auch sonst alles, was es braucht. Der „Florence Foster Jenkins Award“ erblüht zu einem musikalischen Freistil-Singen in entfesselter „forbidden broadway“-Manier, wie ihn Österreich noch nicht erlebt hat: Mit fulminanter Komik und sekundös gestyltem Schwung verbindet Werner Sobotka (Regie) Genre- und Personen-Parodien mit realsatirischen Unglaublichkeiten. Und er schafft es, aus der Kombination gegen-sätzlichster Musikstile keine Ausrutscher auf dem naheligenden Glatteis FFJ-ähnlicher Peinlichkeiten zu produzieren, sondern vielmehr – Ensemble sei Dank – die wahren Peinlichkeiten der U-Musik-Branche mit Professionalität und Perfektion zu demaskieren.
Die im Oscar-Stil gehaltenen Verleihungen der FFJ-Awards für besonders herausragende Fehlleistungen dienen zwar weniger als haltbietender roter Faden für das Publikum, denn als künstlich zusammenhaltende – und doch alles offen lassende – Paketschnur für den Regisseur, was aber schlussendlich nichts daran ändern kann, dass der Simpl mit dieser Produktion auf dem Markt konventioneller „Musik & Unterhaltungs“-Shows den mit Abstand schrägsten Spass in der Stadt bietet.
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