Darf’s a bisserl weniger sein?
kabarett.at 10/2007
Es gibt Premieren, da fängt man an zu zweifeln. Und das weniger am Künstler – sondern an sich selbst. Nämlich dann, wenn die Schere zwischen den Publikumsreaktionen und der eigenen Einschätzung des Unterhaltungswerts so bedrohlich auseinander zu klaffen beginnt, dass als Erklärung eigentlich nur eine lang anhaltenden Wahrnehmungsstörung in Frage kommt. Kann doch nicht wahr sein, dass es da vereinzelte Zuschauer fast von den Sitzen schmeißt vor Freude, während man selbst den meisten der zum Vortrag gelangten Pointen kaum das für die vorübergehende Überlebensfähigkeit im Scheinwerferlicht notwendige Mindestmaß an Originalität zu attestieren vermag.
Um das Kind beim Namen zu nennen: Was, bitte, hat Alexander Sedivy seinen Premierengästen im „Theater am Alsergrund“ in den Begrüßungscocktail gemischt? Und warum bin ich erst so knapp gekommen, dass ich davon nichts mehr abbekommen habe?
Alexander Sedivys größte Stärken waren und sind sein Figurenspiel und sein parodistisches Talent. Doch beide hat er in seinen letzten Programmen schon gewitzter und stringenter auf die Bühne gebracht. Aus kaufmännischer Sicht ist es aber natürlich durchaus nachvollziehbar, dass er sich ein paar Monate vor Beginn der Fußball-EM im eigenen Land in seinem neuen Solo ganz dem runden Leder verschreibt: Ostbahn-Kurti und Peter Maffay singen EM-Hymnen, die heimische Polit-Prominenz versucht, aus der aufkeimenden Fußball-Euphorie Wählerstimmen-Kapital zu schlagen, und unsere ehemaligen Teamspieler versuchen sich in neuen Brotberufen. Und dazu von Assinger bis Phettberg das altbekannte Promi-Parodien-Repertoire.
Etwas gewitzter wird es, wenn Sedivy einen schleimigen Dampfplauderer mit seiner Merchandising-Artikel-Verkaufsveranstaltung ins Rennen schickt. Oder einen Fan-Betreuer, der den Fußballanhängern ein höflicheres Vokabular und neue Schlachtgesänge beizubringen versucht. Auch die zufällige Entstehungsgeschichte der beiden eigentümlichen EM-Maskottchen hat erfrischend groteske Grundzüge.
Doch fast all seine Episoden kranken an zwei Punkten. 1) Zu viele zu nahe liegende Scherze, in deren Strudel des Vergessens die wenigen guten Pointen haltlos verloren sind. 2) Trotz des rückblickenden Gesamteindrucks, ein buntes Potpourri an Sketchen, Parodien, Szenen und Songs erlebt zu haben, sind viele der einzelnen Bauteile noch immer zu lang. In beiden Fällen gilt also: weniger wäre mehr.
Fazit: Es ist zu hoffen, dass es sich bei „Europameister! Fußball einmal anders!“ um ein Zwischen-Tief auf dem ansonsten bisher recht erfreulich verlaufenen Entwicklungsweg von Alexander Sedivy handelt. Und sollte das Programm in seiner Gesamtheit in Wahrheit eine raffinierte Metapher für die Qualität unserer Nationalmannschaft sein – nun, dafür ist es ihm dann doch um etliche Eckhäuser zu gut gelungen.
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