Ein Ganzes zerfällt in zwei Hälften
kabarett.at 10/2006
Wenn Alexander Sedivy zum Spezialagenten mit Geheimauftrag mutiert, klingt sein Name plötzlich, wie die englische Aussprache von „Z-TV“. Dieser Späschl Eidschent bekommt es in „CSI: Landstraße“ mit einem Fall zu tun, der sich ausgerechnet an Bord eines ORF-Zubringerbusses auf den Küniglberg abspielt. Doch wegen unvorhersehbarer Umstände soll er sein Ziel nie erreichen …
Ein Bus voll kranker Typen. Klar. Wer fährt sonst auf den Küniglberg? Es wimmelt nur so vor Barbara-Karlich-Fans, Alltagsgeschichten-Statisten, gestörten ORF-Kundendienst-Mitarbeitern, hoch bezahlten Mobbing-Mediatoren und ähnlichem Gesocks. Nicht zu vergessen die zahlreichen berühmten Passagiere, wie Hermes Phettberg, Markus Rogan oder Karel Reich-Ranicky. Ja, Karel. Denn sein ihm in allen Belangen sehr ähnlicher Bruder Marcel sei auf Kabarettbühnen nun wirklich schon allzu abgelutscht, lässt Sedivy mit sympathischer Selbstironie einfließen. Kurz und gut: dieser Tummelplatz markanter Typen erweist sich als idealer Spielplatz für den Charakter-Karikaturisten und Promi-Parodisten Alexander Sedivy. Schön zu sehen, dass seine regelmäßigen Fahrten auf den Küniglberg ganz offenbar auf fruchtbaren Boden gefallen sind.
Platz um Platz füllt sich der Bus im Verlauf der ersten Hälfte. Immer bunter und turbulenter wird das Treiben. Doch Sedivy gelingt es mit rasanter und exakter Wandlungsfähigkeit, alle Figuren so prägnant und pointiert zu verkörpern, dass der staunende Betrachter der Szenerie nie Gefahr läuft, den Überblick zu verlieren. Hochachtung. Zur Veranschaulichung für Insider: Ein wenig erinnert das Ganze an die berühmte Wirtshaus-Szene der „Schienentröster“.
Das zunehmende Chaos in den Sitzreihen hat Witz und macht großen Spaß. Sedivys Phettberg-Parodie ist übrigens dermaßen gelungen, dass es völlig fehl am Platz wäre, dessen mangelnde Aktualität zu thematisieren. Jeder kann schließlich wegen der Proben für ein neues Show-Konzept auf den Küniglberg geladen werden.
Mit einer geiselreichen Entführung und einem spannenden Cliffhanger geht es in die Pause. Und dann kommt die zweite Hälfte. Und mit ihr eine völlig unerwartete Enttäuschung. Sie dauert nämlich trotz ihrer vermutlich 45 Minuten gefühlsmäßig bis weit nach Mitternacht – und ist irgendwann einfach vorbei, ohne dass sie ein erkennbares Ende gehabt hätte. Also wirklich! Wenn schon kein gutes Ende, dann doch bitte wenigstens etwas früher.
Im Ernst : „CSI: Landstrasse“ ist ein Programm wie Tag und Nacht. Wie konnte das passieren? Es wäre zu leicht, die Misere einzig Alexander van der Bellen in die Schuhe zu schieben, der von der Polizei engagiert wird, um den Bus-Entführer mit seiner einschläfernden Art außer Gefecht zu setzen. Das macht in seiner peinigenden Langatmigkeit immerhin noch Sinn. Und wenn der von Dauerschluckauf gepeinigte Medizinstudent Jacob Creutzfeldt immer wieder stammelt „Ich habe die volle Kontrolle“ und dabei auf seine Laptop-Tastatur einhämmert, dann verbirgt sich dahinter natürlich Kritik am Computer-Zeitalter. Oder eine Warnung davor, dass allzu intensiver Aufenthalt im Internetz zu Realitätsentgleitung und Verlust wichtiger zwischenmenschlicher Kompetenzen führt.
Zum Amusement tragen diese Untertöne allerdings auch nicht bei. Es mangelt der zweiten Hälfte schlicht an originellen Ideen, was sich nun mit diesem Sammelsurium an Gestalten auf der Bühne – im Bus – anfangen ließe. Sie verebbt. Das alles aber ist noch nicht Grund genug dafür, dass man den Schlussapplaus herbeisehnt. Einen Applaus, den sich Sedivy redlich verdient hat. Mit der ersten Hälfte des Programms.
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