Schaulaufen aus Chicago
Der Standard 05/1999
Zentrale in Chicago, Niederlassungen in Toronto und Detroit – und gleich drei Tournee-Truppen: “The Second City” zählt zweifellos zu den umtriebigsten Comedy-Konzernen Amerikas. Eines ihrer raren Europa-Gastspiel absolviert die Entertainer-Schmiede, die bereits Alan Arkin, James Belushi, Bill Murray oder Mike Myers als Sprungbrett diente, alljährlich in Viennas English Theatre.
“The Second City” reist mit leichtem Gepäck : Requisiten hat das Team nicht nötig. Jeder Gegenstand ist dar- und entsprechend vorstellbar. Mit routiniertem Spaß am Spiel spult das siebenköpfige Ensemble sein Programm ab : Sketche über Alltag, Beruf und Partnerschaft, dramatisierte Witze jeder Güteklasse, Highlights aus der 40-jährigen Historie des Comedy-Clubs, kleine Grotesken – und große Improvisationen. Vor allem bei letzteren zeigt sich die wahre Kunst und profunde Professionalität jedes Einzelnen: Als wär‘s ein Kinderspiel kombinieren sie auf Zuruf Dr. Seuss, Mark Twain und Danielle Steele zu einem aberwitzigen literarischen Stil-Mix – oder schütteln mal eben ein Musical über eine Kaffeemaschine aus dem Ärmel. Und das – bei aller Spontaneität – mit nahezu perfektem Timing.
Daß ihr Auftritt dennoch die Athmosphäre eines unpersönlichen, repräsentativen Comedy-Schaulaufens vermittelt, liegt an der für Funken nur phasenweise überspringbaren, kontinental-kluftigen Distanz zwischen Akteuren und Publikum. Die hohe Guckkasten-Bühne im VET trägt das ihre dazu bei. “The Second City” wirkt insgesamt wie ein beeindruckender Vorführwagen amerikanischen Entertainments. (Bis 29.5. im VET)
Vergleichenden Humorwissenschaftlern böte sich ein Besuch der konzeptionell nahezu deckungsgleichen “Late Night Laughs” von in Wien beheimateten englischsprachigen comedians & actors an. (29.5. 23 Uhr, Kabarett Niedermair)
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