Schnecken, Maikäfer und Maßstäbe
„Wer nicht normal ist, braucht nix zu erklären.“
kabarett.at 03/2008
Wer spielt mit? Martina Schwarzmann lädt ein zu Erdnussflips-Mikado im Maurer-Dekolleté alkoholisierter Wirtshausgäste und zu unfriedenstiftendem Fischsemmel-Roulette am Oktoberfest. Da kommt Stimmung auf! Dann noch ein paar japanische Touristen zu erfundenen „alten bayerischen Traditionen“ – wie das rituelle Ex-Trinken des Weißwurstwasssers – nötigen und der Abend ist gerettet. Schon ganz schön deftig für eine junge Dame, die so wirkt, als könne sie kein kleinstes Gewässerchen trüben. Doch Martina Schwarzmann hat es fäustchendick hinter den Ohren.
Mit naivem Charme singt sie Lieder und erzählt Geschichten aus und über den von bayerischer Lebensart kräftig durchsetzten Alltag einer kurz-vor-30-Jährigen. Eine, die sich weder allzu auffällig aufbrezelt, noch besonders gerne auf Urlaub fährt. Denn „mia glangt, dass i woass, dass i kannt“.
Auch als Paartherapeutin hat sie originelle Weisheiten auf Lager : „Eine Beziehung, in der man sich 100%ig vertraut, hält länger, als eine Beziehung, in der man 100%ig ehrlich ist.“
Und wer glaubt, als Vegetarier etwas für den Tierschutz zu tun, solle lieber noch mal nachdenken : Es sei schließlich kaum zu ermessen, wie viel Schnecken sterben müssen, damit ein Salatteller übrig bleibt. „Da is a Schnitzl a faire Lösung.“
Sie besingt den tyrannischen König des Wertstoffhofs, den Metzger, der sich als Wellness-Ressort-Betreiber versucht, den armen Willi, der seine Esot-Erika nicht mehr versteht, und den Maikäfer – „weil jeder Liedermacher muss mal über Maikäfer gesungen haben“.
Darüber hinaus erfahren wir, welchem glücklichen Zufall wir es zu verdanken haben, dass Martina Schwarzmann keine Paris Hilton geworden ist. Und für Kabarett-Publikums-Neulinge gibt es einen Schnellkurs in „Wie verhalte ich mich im Theater im Gegensatz zu vorm Fernseher“.
Das alles und noch viel mehr auf kaum einem halben Quadratmeter Bühne. In Sachen Platzbedarf kann sie es ohne Weiteres mit Gunkl aufnehmen. Daran hat sich seit ihrem mit zahlreichen namhaften Preisen ausgezeichneten Programm „Deafs a bissal mehra sei?“ nichts geändert. Auch alle seinerzeitigen Lobeshymnen ließen sich 1:1 auf „so schee kons lebn sei“ anwenden.
Die Figur der schüchternen Kindergärtnerin mit dem steifen Schritt und dem unsicheren Griff an die Brille beherrscht sie nämlich auch in ihrem dritten Programm. Dass es dieser Satz offen lässt, wer wen beherrscht, ist durchaus kein Zufall.
Martina Schwarzmann ist „liab“ – und da und dort ein bisschen frech und unanständig. Aber ohne jemals an die Grenzen des Fassungsvermögens ihres Publikums zu gehen. Ein bisschen gekicherte Entrüstung hinter verschämtem Fächergewedel und schon ist die Schwiegermutter-Welt wieder in Ordnung. Wer sich vom Kabarett also unangestrengt sympathische Unterhaltung mit keckem, bayerischen Augenzwinkern erwartet, ist bei Martina Schwarzmann bestens aufgehoben. So schön kann das Leben sein – „es kommt immer darauf an, mit welchem Maßstab man misst“. Oder – wie es in einem anderen Schwarzmann-Lied heißt : Alles eine Frage der Perspektive.
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