Denkmal-Eigen-Schutz
Der Standard 11/1995
Es gibt nichts, was in den vergangenen 22 Jahren nicht bereits irgendwann, irgendwo über Werner Schneyder geschrieben worden wäre. Über seine intellektuelle Schärfe, die zumeist um Haaresbreite über die Scheitel seiner Zuhörer hinwegsaust, über seine chronisch-lakonische Larmoyanz und erhabene Ironie, die ihm eine elfenbeintürmige Aura der Unberührbarkeit verleiht und ihrerseits dafür sorgt, dass selbst Banalitäten mit Respekt honoriert werden. Was bleibt – nach seinem „Abschiedsabend“ im Vindobona, seinem angekündigten Rückzug vom Kabarett -, kann daher nur eine durchaus wehmütige Träne im Knopfloch sein.
Was soll man dem Kabarettisten Werner Schneyder schon nachrufen? Dass er seinem Publikum immer das gegeben hat, was es von ihm erwartet hat? Und zumeist nur das? Dass seine Auftritte nur dort keinen penetranten Beigeschmack nach pointierter Besserwisserei hatten, wo keine unmittelbaren Vergleiche möglich waren, und dass daher seine TV-Kabarett-Shows mit „Jung“-Kabarettisten wie Graffitti in einem Barock-Rahmen wirkten ? Dass er andererseits mit seinem Kabarett einen Stil und ein Niveau der Auseinandersetzung mit politischen Aktualitäten geprägt hat, den man sich vor allem in der Politik selbst wünschen würde? Für Kritik ist es zu spät. Für einen Nachruf zu früh.
Ein Hauch Resignation weht durch den „Abschiedsabend“, durch seine geschliffenen Verabschiedungen von seinen meistgehassten Weg- und Zeitgefährten: von den Politikern, den Kulturmanagern, den Fernseh-Redakteuren und nicht zuletzt den Kabarett-Kritikern, die sich – so Schneyder – der Person eines Künstlers mit Vorliebe dadurch wortreich anzunähern versuchen, indem sie beschreiben, was sie alles nicht ist. In diesem Sinne: Werner Schneyder ist nicht einer, der den vielleicht besten Moment für seinen Abschied von der Kabarettbühne versäumt hat. Noch bevor sein Denkmal Gefahr läuft – verwitterungsbedingt und angenagt vom Zahn der Zeit – ernsthaft ins Wanken zu geraten, stellt er es glänzend und überlebensgroß ins Museum satirischer Zeitgeschichte. Hut ab.
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