In 2er-Reihen vor der Pommes-Bude
Helge Schneider – „Füttern verboten„
Mehr Kunst, weniger Schwachsinn.
kabarett.at / 8. November 2004
Fritz ist tot. Im September fiel jener Kater, der Helge Schneider als Inspirationsquelle für seinen größten Hit diente, aus dem vierten Stock. Vielleicht ist das der Grund, warum Helge den Abend mit “Katzeklo” eröffnet. Und das in einer – im Vergleich zu den letzten Konzerten – sehr original-getreuen Version. Mit Ausnahme zweier Zusatzstrophen, in denen der Zuhörer erfährt, dass die Katze im Gegensatz zum Hund “ein Nachtmensch ist”, der – wenn er mit dem Schwanz wedelt – “töten will”.
In “Füttern verboten” ist anfänglich Vieles etwas anders, als man bisher von Auftritten Helge Schneiders gewohnt war. Fast schon routiniert spult er seine kleinen Geschichten, Gags und Lieder ab. Ohne einen wirklich spürbaren Hauch jener anarchistischen Improvisationsfreude, deren Ergebnisse einen früher immer wieder staunen ließen. Die Nummern sind unverkennbar eingelernte Texte, die sogar auf vorbereitete Pointen abzielen. Ein paar kleine Albernheiten am Schlagzeug oder mit der Trompete wirken dabei, wie unvermeidliche, dem Künstler fast schon etwas lästig gewordene Zugeständnisse an die Erwartungen der Fans. Wobei ihnen nicht nur der gespielte Wackelkontakt im Mikrofon bereits bestens bekannt sein dürfte.
Zu begeistern vermag er erst im zweiten Teil des Abends. Und das weniger mit seiner berühmt-berüchtigten “formvollendeten Debilität” (FAZ), mit der in der zum überwiegenden Teil drögen und ständig nach neuen Provokationen gierenden Talk- und Fun-Show-Gesellschaft in den 90ern noch wahrhaftige Empörung zu erzeugen war, sondern mit seinen Liedern : u.a. der durchaus Songcontest-tauglichen Schnulze “Musik, Musik”, einer mit dem von ihm parodierten Udo Lindenberg im Duett gesungenen, neuen Version des “Meisenmanns” und einem grotesken Protestlied mit dem Titel : “Und da stehen sie wieder in Zweier-Reihen vor der Pommes-Bude und warten auf das, was ihnen gebührt”. Großartig!
Seine wallende Haarpracht steckt unter einem beigen Filzhut, seine Füße in Socken und Sandalen. Aus dem Knopfloch seines traditionellerweise viel zu knapp bemessenen Bühnen-Anzugs ragt eine prächtige Kunst-Nelke. So stelzt er über die Bühne, wie ein Esel auf dem Eis. Alles in allem eine prachtvoll aus der Mode gekommene Erscheinung.
Aber um Konventionen hat sich Helge Schneider ja noch nie geschert. Mit seiner offensiven Missachtung aller etablierten und bewährten Unterhaltungs-Mechanismen, seinen absurden Albernheiten und seiner ironischen Art, sich selbst über den eigenen, allabendlich frisch verzapften Nonsens zu amüsieren, ist Helge Schneider ein wahnwitziger und wohltuender Kontrast zu den zahlreichen Baukasten-Comedians, die es sich mit uns mittlerweile nicht nur im Fernsehen, sondern auch im Kino verscherzen. Nicht zufällig ist sein Kurzauftritt in dem neuen Otto & Co-Film “7 Zwerge – Männer allein im Wald” als Gandalf-ähnlicher “weißer Helge” der mit Abstand witzigste Lichtblick.
Helge Schneider ist inzwischen eine als humoristische Antimaterie akzeptierte Fixgröße der deutschsprachigen Unterhaltungslandschaft. Er muss diese Rolle also nicht mehr bei jedem Auftritt nachdrücklich unter Beweis stellen. Seine künstlerischen Qualitäten dürfen von Jahr zu Jahr mehr aus dem Schatten des Schwachsinns treten. In “Füttern verboten” hat er sie uns wieder deutlich vor Augen geführt.
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