Unheil ist ungeil
Der Standard 03/1995
Gründe für eine freudige Erwartungshal-tung gab es nach der gelungenen zweiten Co-Produktion von Regisseur Harald Posch mit Dolores Schmidinger – dem Erfolgskabarett „Die nackte Matrone 2 1/2“ – zur Genüge. Weniger allerdings, als nach der ernüchternden Premiere von „Heil ist geil“ für einen rasche Lösung dieser sich in stumpfen Wiederholungen ergehenden Liaison sprechen. Bei Schmi-dinger/Posch erschöpft sich der Witz for-mal in der Darstellung einer Figur, die mit einer imaginären Person plaudert, indem sie dessen freche oder unbedarfte Einwür-fe schlicht fragend wiederholt. Ein be-denklich eintöniges Strickmuster, das der in jeder Szene wiederkehrenden Dauer-Zerreißprobe unmöglich standhalten kann. Ja, sich schon nach wenigen Minuten in seine Bestandteile verabschiedet und be-schämend tiefe Einblicke auf die textliche und dramaturgische Ideenlosigkeit freigibt.
Zumal es nur einer einzigen Nummer ge-lingt, in punkto Situations-Kuriosität an die Qualität der fast durchwegs zeitlosen Mini-Grotesken des Vorläufer-Modells zu erinnern. Alle übrigen sind schlicht auf Aktualität getrimmte Klischee-Klamotten, die nicht nur viel zu groß und schleppend, sondern noch dazu völlig unpassend sind : Was soll das für eine Neo-Nazi-Figur sein, die den geistigen Horizont besitzt, ihrem Opa spaßeshalber vorzuschlagen, „Mein Kampf“ ins Hebräische zu übersetzen, aber andererseits nicht einmal lesen kann ?
Bei den gesungenen Zugaben, bei denen sich im Publikum endlich so etwas wie Stimmung einstellen möchte, wird schließ-lich offensichtlich, wo des Pudels Kern begraben liegt : Sowohl der hinreißende Wiener Blues „Ottakring“, dessen Text aus den besseren Tagen der Schmidinger stammt, als auch „Mitten in der Hitz“ sind wohl jedem Kabarett-Freund bereits um mit geschlossenen Augen erkennbare Gü-teklassen besser aus dem letztjährigen Simpl-Programm bekannt. Und da hört sich wohl alles auf : Bei sich selbst abkup-fern ist zwar nicht sonderlich kreativ und erfolgversprechend, aber immerhin noch legitim. Epigonie aber kommt kurz vor der Agonie.
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