Vom Förderpreis zur Leistungsschau
Der Standard 06/1994
Viel ist nicht übrig geblieben vom ursprünglichen Konzept: Die dieswöchige 13. Verleihung der „Salzburger Stiere“ ist eine eindrucksvolle Bestätigung für die zwiespältige Entwicklung, die diese alljährliche ARD/SRG/ORF-Auszeichnung seit ihrer hehren Taufhebung durchgemacht hat.
Geehrt und mit je 35.000 ÖS bedacht werden heuer Rüdiger Hoffmann (D), der bereits länger als der Salzburger Stier selbst im Kabarett-Geschäft ist und seit Jahren mit seinem staubtrockenen Alltagstypen-Kabarett einen fixen Platz in der deutschen Unterhaltungsbranche innehat, die Acapickles (CH), eine schrille Frauenband – „die einzig wahre Heart-chor-Band“ -, die sich musikalisch-komödiantisch extrem bandbreit vom Mittelalter bis zum Dancefloor blödelt, und schließlich Dolores Schmidinger (A), „Die nackte Matrone 2 1/2“, deren kabarettistische Wurzeln bis in das „Theater am Kärntnertor“ der 60’er Jahre zurückreichen.
Als Paten fungieren die Arriviertesten der Arrivierten: Lisa Fitz (D), seit zwei Jahrzehnten multimedial im Bühnengeschäft, darf die Plastik zum ersten Mal, Gerhard Bronner (A) – wohl der einzige, der als glaubwürdiger Pate für Dolores Schmiedinger in Frage kommt – nach 1983 zum zweiten Mal überreichen. Franz Hohler (CH) ist nach 1982 und 1991 bereits zum dritten Mal als Pate an der Reihe.
Aus dem als Nachwuchspreis ins Leben gerufenen „Stier“ ist nach und nach eine Kabarett-Meister-Ehrung geworden. Einzig die Schweiz scheint dieser heimlichen Verwandlung nicht kampflos Tribut zollen zu wollen, ist diesem Bedeutungswandel nämlich vor allem der vor 13 Jahren explizit formulierte Förderungs-Auftrag – zugunsten einer weiteren kabarettistischen Leistungsschau – zum Opfer gefallen. Ausschlaggebend hierfür waren allerdings keine prinzipiellen Erwägungen organisatorischer oder künstlerischer Natur, sondern der vermeintliche Mangel an förderungswürdigem, kabarettistischem Nachwuchs und der qualitative Konkurrenzdruck der jeweiligen Ausländer bei der Besetzung dieses imageträchtigen Kabarett-Aushängeschildes.
Unverändert und erfrischend konstant sind seit Anbeginn nur zwei Standbeine des „Stiers“:
1.) Der kabarettistische Austausch zwischen drei Ländern, deren Kommunikation allzu oft an inhaltlichen und sprachlich-emotionalen Missverständnissen scheitert, bevor sie sich den wichtigen formalen und künstlerischen Aspekten nähern kann.
2.) Die zumindest hierzulande völlig intransparente Entscheidungsfindung – und die immer wieder modifizierten Vergabekriterien, die sich an den jeweils aktuell ausgewählten Preisträgern orientieren, statt umgekehrt.
Der bisherige „preisliche“ Werdegang wurde in der heurigen Selbstbeschreibung des „Salzburger Stiers“ vollinhaltlich nachvollzogen – und um den Passus „Präsentation verschiedener Entwicklungen im Kleinkunstbereich“ erweitert. Damit sollte man über die nächsten paar Jahre kommen.
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