Knorrig und knochentrocken
Der Standard /19
Vorbei sind die Zeiten, da er wie ein von Otto und Nurejew programmierter und versehentlich unter Starkstrom geratener Robotnik über die Bühne wirbelte. Vorbei der Wettkampf zwischen Kleid und Schminke in der Kategorie „grell & grässlich“. Dr. Georg Ringsgwandl hat sein Rock-Kabarett-Clown-Outfit zu seinem Arztkittel an den Nagel gehängt, auf daß weder noch zu seinem frühzeitigen künstlerischen Sargnagel werde – denn drohend schwebt das Nina-Hagen-Syndrom über allen ewig Ausgeflippten. Außerdem hat er – wie er erzählt – schon derartig schmerz-hafte Abnützungserscheinungen in den Knien, daß eine gesetztere Tätigkeit durchaus ratsam erscheint.
„Staffabruck“, sein aktuelles Programm, mit dem er derzeit im Vindobona gastiert, bietet ihm dazu jede Gelegenheit. Besteht es doch vornehmlich aus Liedern der vergangenen 20 Jahre, die ohne optische Effekthascherei auskommen. Zwar kann er sich die Gitarre noch immer nicht wie ein normaler Mensch einfach umhängen, sondern muß durch den Schultergurt in sie hineinsteigen, aber derartige Gesten wirken fast schon wie ironische Anleihen aus seinem Vorleben. Sicher, giftig und hinterhältig waren seine Lieder schon immer – jetzt aber kommen sie statt in einer bunten Fruchtspeckhülle knorrig und knochentrocken daher. Kulinarisch aufgeputzt nur vom langjährigen Begleit-Gitarrero Nick Wooodland singt er kleine Geschichten mit großen Relevanzen aus und über seine Jugendjahre: Ringsgwandl pur & natur. Wie Standbilder aus einem grobkörnigen, s/w-Heimatfilm, in dem auch die schlimmsten Gauner noch ein Hauch Wildwest-Romantik umweht, und die väterliche Pranke die Versinnbildlichung der Gerechtigkeit und des Wohlmeinens ist. Daß es sich nebenbei auch noch ganz zünftig lachen läßt – über die ersten Drogen-Erfahrungen mit Stechapfel und Tollkirsche ebenso wie über die kirchliche Kniepolsterheizung – ist bei Ringsgwandl trotz aller Retouchen unvermeidlich.
Umso unverständlicher, daß er sich in der zweiten Hälfte seines Programms offenbar genötigt fühlt, seinem Publikum mit lustigen Hadern über Hühnerarsch und Unterhoserl entgegenzueilen. Da entschwindet sie zusehends, die stimmungsvolle Stille und Tiefe, die sich wohltuend ausgebreitet hatte. Am Ende setzt er uns dann wieder fast genau dort ab, wo wir geglaubt hatten, von ihm mit Trulla-Trulla und Vogelwild im Regen stehengelassen worden zu sein. Doch der Weg ist ja bekanntlich das Ziel – und der Umweg über Staffabruck ist ein besonders empfehlenswerter.
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