Seiltanzen gegen die Krise
Mir san olle im Oasch daham / im Oasch, do is unsa Adress / durt samma zwar oam, dafia hammas schee woam / ohne Göd, aber auch ohne Stress.
kabarett.at 03/2009
Wer Lukas Resetarits in den 90ern darauf ansprach, dass sich sein Kabarett-Stil nun doch schon seit geraumer Zeit nicht spürbar weiterentwickelt habe, bekam üblicherweise die durchaus genervt vorgetragene Antwort: „Was willst Du? Soll ich etwa Seiltanzen?“
Nun, wir schreiben das Jahr 2009 – und Lukas Resetarits tanzt in seinem neuen Programm auf einem Seil. Mit Artistik und Absturzgefahr. Gut, es ist nur ein imaginäres Seil, aber gefährlich hoch gespannt. Er will den Besuchern seines „Warietees“ schließlich auch spektakuläre Showeinlagen bieten. Wobei der Conferencier des Abends schon ein Show für sich ist : ein versoffener Jahrmarkt-Ansager mit goldenem Zylinder, der seine armseligen Attraktionen anpreist. Ganz Österreich als eine einzige, grindige Freakshow.
In der ersten Hälfte des Programms sind es einmal mehr die typisch Resetarits’schen, stets heiter-gewitzten und mit originell-antiquiertem Vokabular durchsetzten Annodazumal-Anekdoten und Jugend-Erinnerungen, an denen er seine Globalisierungs-Bedenken und Kapitalismus-Kritk aufhängt : Ein Praterbesuch, bei dem das gesamte Taschengeld für den Besuch eines abgetakelten Varietés draufging, dessen Glanznummer eine „auf Punschkrapferl geschminkte“ Dame mit drei Zwergpudeln mit Mottenlöchern und Gicht war. Damals, als der „Eiserne Vorhang“ noch als semipermeabler Schutzschild diente und die eigene, kindliche Finanz- und Wirtschaftswelt mit zwei Begriffen umrissen war : Blechsparbüchse und Schaumgebäck.
Ein unverzichtbarer Bestandteil von Resetarits’ Programmen sind seit je her seine Textunsicherheiten. Vor allem bei Premieren. Diesmal waren seine gedankenfragmentarischen Rösselsprünge ohne Steuermann allerdings besonders bemerkbar und bisweilen atemberaubend. Die Gewissheit jedoch bleibt: mag er auch noch so heftig holpern und stolpern – in drei Wochen läuft dann alles rund und gut. Zu hoffen, dass sich das einmal zugunsten des Premierenpublikums verändern könnte, erinnert an den Schuhverkäufer-Kalauer: „Die Schuhe werden ihnen in den ersten Tagen ein wenig weh tun.“ / Kunde: „Dann trag ich sie halt in den ersten Tagen nicht.“
Kurz vor der Pause gibt es noch ein Wiedersehen mit dem – immer noch – Straßenbahn fahrenden Protagonisten seines legendären „Tschusch-Tschusch“-Sketchs. Dann hat die Vergangenheit vorübergehend ausgedient. Denn in der zweiten Hälfte geht es um die Zukunft – unter dem Motto „Wege aus der Krise“. Sie beginnt mit einer bizarren Fiona-Parodie. Frau Glitzer-Grasser gibt Gartentipps ! Glasperlen gegen Nacktschnecken. Mehrmals sagt sie im Verlauf ihrer unterbelichteten Ausführungen den schönen Satz : „Ich weiß das. Ich bin ja nicht blöd.“ Dass sich Resetarits bei seiner Fiona-Verarsche keinerlei Mühe gibt, sie zumindest ansatzweise zu parodieren, ist gewiss Absicht : Unbarmherziger lässt sich Verachtung künstlerisch kaum demonstrieren.
Dann wird’s ernst : Wenn die Verschrottungsprämie ein probates Mittel im Kampf gegen die Krise ist, wie wohltuend für den Wirtschaftsaufschwung wäre dann erst eine Vandalismusprämie ? Auch in punkto Arbeitslosigkeit weiß Resetarits Rat : Menschen als lebende Zäune zum Beispiel. Oder als persönliche Warteschleife in Call-Centern. Letztere Nummer gerät zum Highlight des Abends : Resetarits als ein in jeglicher Hinsicht inkompetenter, aber liebenswert bemühter telefonischer Zeitvertreiber, der die genervten Anrufer mit Quiz-Spielen und Liedern bei Laune zu halten versucht.
Apropos Musik: Bliebe noch Lukas Resetarits Pianist Robert „Roberto Sarasani Castelotti“ Kastler zu erwähnen, der diesmal eine eher traurige Rolle spielt. Eine völlig verzichtbare nämlich. Sofern man seiner Figur auf der Bühne nicht die – allerdings zu keinem Zeitpunkt angedeutete – symbolische Meta-Ebene des gedemütigten und in der Krise zu Kurzarbeit gezwungenen Arbeitnehmers unterstellt. Der hehre Wunsch, ihm traditionellerweise eine Programm-Funktion zuzuordnen, geht diesmal leider völlig nach hinten los. Als Einlassmusikant und Zwischenspieler wird er zwei Stunden lang unter seinem Wert geprügelt. Erst beim Schlusslied hat seine Anwesenheit Sinn. Und in dieser Paraphrase auf den bösen Qualtinger-Klassiker „Bei mir sads olle im Oasch daham“ fasst Lukas Resetarits dann den Abend noch einmal inhaltlich zusammen : „Mir san olle im Oasch daham / im Oasch, do is unsa Adress / durt samma zwar oam, dafia hammas sche woam / ohne Göd, aber auch ohne Stress.“
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