Die Wahl der Waffen
Der Standard 09/2000
Wer bereits 20 Jahre Kabarett auf dem Buckel hat, tut sich schwer, seine Überzeugungen humoristisch und abwechslungsreich an den Mann zu bringen – sollte man meinen. Lukas Resetarits beweist in „Alles zurück“, seinem 17. Programm, das abermals unter Mitwirkung von Robert Kastler (Musik) und Fritz Schindlecker (Co-Autor) entstand, das Gegenteil: Denn so vehement und eindringlich, wie er sich vor allem nach der Pause mit dem Themenkomplex Angst auseinandersetzt, war der Lukas schon lang nicht mehr.
Zyniker könnten ihm nun vorwerfen, Oberwart habe seinem Kabarett gut getan: Erst dadurch habe seine in den letzten Programmen immer öfter in den politischen Plänkel-Schmäh abgeglittene Satire wieder die Kraft des unbedingten Überzeugungswillens erhalten. Und sie hätten wahrscheinlich nicht einmal ganz unrecht. Denn was sind auch schon Themen wie EG oder Ötzi – siehe letztes Programm „Zu bunt“ – gegen Bombenterror und dritte Republik. Vor allem: Wie würde es beim Publikum ankommen, wenn sich ein Resetarits mit der gleichen Vehemenz wirtschaftspolitischer Entwicklungen und prähistorischer Kuriosita annimmt, mit der er sich nur ein paar Monate später den Rechtsextremismus und den goßen „Schürer und Nörgler“ vorknöpft? Die Durchschlagskraft der eingesetzten Waffen orientiere sich an der Größe des Gegners: Dieses selbsttätige Prinzip führt uns Resetarits auch in „Alles zurück“ vor Augen. Wo es um abgehangene Allerwelts-Problematiken wie den Umweltschutz oder die Fernseh-Unterhaltung geht, bleiben seine Conferencen und Nummern geschliffen, glatt und reibungslos – und dementsprechend ohne Hitzeentwicklung, ohne überspringende Begeisterungsfunken. Kaum übernehmen jedoch Herz und Bauch die Auswahl der Themen, wird der feurige Kern spürbar: Mit bewegender Inbrunst steigert er sich von einer Doppel-Conference zwischen Krenn und Gott – mit erhebend fettfleckigem Ende – über das beschwingt-bedrohliche Endzeit-Liedlein „Nur ka Angst, der Teufel holt euch unter Garantie“ bis zu dem beklemmenden Horror-Szenario einer Führung durch das blaue Wien des Jahres 2020. Und bei wem bis dahin die scheinbare Ohnmacht noch nicht solidarischer Kampfeslust gewichen ist, dem serviert er abschließend seine persönliche Strategie in einem gleichermaßen berührend heimatverbundenen wie unmißverständlichen Blues: „Manche woin, daß i mi schleichat. / Manche sogn Krowot, waat oh! / Weil grad die woin, daß i weggeh, / bleib i do.“
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