Beißhemmungslos
Andreas Rebers: „Je sorgfältiger du die Zukunft planst, umso wirksamer trifft dich der Zufall.“
kabarett.at 01/2010
Hut ab. Drei Österreich-Termine hat Andreas Rebers vorläufig in seinem Tour-Kalender – und für diese paar Auftritte schreibt er extra ein über weite Strecken neues oder zumindest deutlich austrofiziertes Programm. Aber na gut, er hat ja auch noch Einiges damit vor. Nicht weniger als die politische Machtübernahme hierzulande : „First we take Amstetten, then we take Braunau.“
Und das ist durchaus bedrohlich gemeint. „Ich komme aus Braunschweig“, erklärt er, „Braunschweig ist jene Stadt, in der Hitler die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen hat. Er hatte ja einen Migrationshintergrund. Begreifen sie diesen Auftritt bitte als Gegenbesuch.“
In seiner offensiven Anbiederung an das wahlberechtigte Kabarett-Publikum kennt er keine Schamgrenzen. Beiläufig lässt er Hader- und Qualtinger-Zitate in seinen Monolog einfließen – und scheut nicht einmal vor dem Versuch zurück, den Wiener Dialekt zu imitieren. Schließlich geht es ja auch um seine eigene Zukunft, denn von Europa werden dereinst nur drei Dinge übrig bleiben „LKWs, Kopftücher – und Österreich.“
Rebers beherrscht das Spiel mit der Provokation wie kein zweiter. Wo bei anderen der Spaß schon längst aufgehört hätte, fängt er bei Rebers erst so richtig an. In der Figur, des selbstgefällig-jovialen Hausmeisters mit chauvinistischer Blockwart-Gesinnung erlaubt er sich einen Tabubruch nach dem anderen. Politisch, religiös und zwischenmenschlich. Seine großartig verstörenden Plädoyers für mehr Gewalt gegen Kinder und Frauen sind da nur die aberwitzige Spitze des Eisbergs.
Wer alleinerzogenen Kleinkinder die Leviten liest, bis sie weinen, und ihren ökologisch herausgeforderten Müttern den Biowildlachs um die Ohren drischt, bis ihre ohnedies schon schüchternen Stimmchen endgültig versagen, begibt sich heutzutage auf ein denkbar dünnes Eis. Auch im Kabarett. Aber ein Rebers darf das.
Er darf sogar auch über Schamhaar-Frisuren in Form von Hitler-Bärtchen oder der Stuhlgang von Heidi Klum witzeln, ohne dass je das Gefühl auftaucht, sich womöglich niveaulos zu amüsieren. „Macht mir schon Angst, dass mir sowas einfällt“, gesteht er, „aber noch mehr, dass ihnen so etwas gefällt.“
Er darf das, weil er mit seinem bisweilen bösen, beißhemmungslosen Spott auch vor sich selbst nicht Halt macht. Das verschafft ihm die Lizenz zu grenzüberschreitender Verlächerlichung. In Summe ist sein „Gegenbesuch“ abermals eine blitzgescheite und über alle Zweifel erhabene, raffiniert durchkomponierte und unverfroren freche humoristische Gratwanderung. Sie muss ihn ja nicht gleich an die Spitze des Staates führen. Aber etwas öfter nach Österreich – das wäre schon schön.
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