Lonely at the top
Flaschendrehen mit Kurt Waldheim: „Pflicht oder Wahrheit ?“
kabarett.at /2010
Ein blass-blasierter Leinenanzugträger, der in seinem Leben schon fast alles erreicht hat, wovon andere kaum zu träumen wagen. Ein Kärntner Karriere-Künstler, der in selbstgefällig gelassenem Tonfall aus dem Nähkästchen plaudert: „Der Preis der Genialität ist die Einsamkeit.“ Ein Star, der sich großmütig dazu herablässt, seine Fans an seinen weitgehend unspektakulären, aber dank seiner Prominenz rückwirkend zu Sensationen geadelten Lebenserinnerungen teilhaben zu lassen.
Alle Achtung. Da gehört schon eine ordentliche Portion Mut dazu, sich gleich in seinem ersten Solo-Programm mit so viel subtiler Selbstironie zu präsentieren. Hosea Ratschiller, bislang bestenfalls FM4-Fans als allmorgendlicher „Ombudsmann“ ein Begriff, gelingt mit dieser Figur eine feine Gratwanderung – immer hart an der Grenze zu heilloser Unsympathie – zwischen altklugem Schnösel und verschmitztem Selfmademan.
Hosea Ratschiller punktet vor allem mit seinen ungewohnten Perspektiven und hintersinnigen Pointen. Zum Beispiel die Vorstellung, mit Kurt Waldheim Flaschendrehen zu spielen: „Pflicht oder Wahrheit ?“
Aus kleinen kuriosen Ideen entwickelt er beiläufig abgründige Grotesken, die naturgemäß sehr tief blicken lassen. Im Kindergarten sei sein Garderobenzeichen „Schwarzes Loch“ gewesen, erzählt er. Und seine Mutter habe das ganze Jahr über den Wundschorf aufgeschlagener Kinderknie gesammelt und in der Adventszeit als knusprige Weihnachtskekse kredenzt. Bei solchen Geschichten hört man doch gerne zu. Kurzweilig und parodistisch treffsicher sind auch seine Lesungen aus einem unverfilmten Franz-Antel-Drehbuch oder dem jüngsten Werk eines schnoddrigen deutschen Popliteraten.
Kurz und gut: Ein spaßiges und auffälliges Debut, das über viele interessante Ansätze verfügt. Und vor allem mit eigenständigem Profil und Charakter daherkommt. Es ist daher absolut verzeihlich, dass es stellenweise noch einiger energischer Straffungen oder Ausbalancierungen bedarf. Beispielsweise wäre sein „Ombudsmann“ – so lieb und teuer er seinem Schöpfer auch sein mag – in einer kurzen Zugabe weitaus besser aufgehoben, als im endlos ausfransenden Finale. Da fühlt sich Ratschiller offenbar dazu verpflichtet, seiner prominenten Kreatur ausgiebig Tribut zu zollen. Die „Liebe Krise“ hat ihn aber in Wahrheit gar nicht nötig.
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