Billig und belanglos
Der Standard 02/1997
Zuerst die gute Nachricht: Josef Prokopetz ist nicht mehr „Herr Rädl“. Er hat ihn – nach fünf Jahren – zwar nur auf Karenz statt in die ewigen Jagdgründe geschickt, aber immerhin. Der Titel „Entschuldigen sie bitte die Verspätung“ bekommt in diesem Zusammenhang eine völlig neue, selbstkritische Dimension. Ihm folgt dann allerdings ein Programm, das mehr einer szenischen Lesung ähnelt, denn die Kriterien eines Kabaretts erfüllt. Ein zum Zweck der deutlichen Abgrenzung von der damoklesschwertartig drohenden Image-Übermacht jenes Rädl’schen Geists, den er einst rief, womöglich ansatzweise probates Prinzip. Würde er nicht seine plastische Formulierungs-Fertigkeit, seinen stimmlichen und mimischen Variantenreichtum und auch sein G’spür für mundartige Merkwürdigkeiten in den Dienst billiger Effekthascherei stellen und mit naheliegendsten Pointen zu spicken trachten. Freilich freut sich das Publikum über eine völlig sinnentleerte Satzaneinanderreihung, die seine lachauslösende Wirkung – und somit vermeintliche Existenzberechtigung – ausschließlich daraus bezieht, daß es in ihr vor Ausdrücken englischen Ursprungs nur so wimmelt. Doch es würde sich vermutlich genauso über eine Lokalrunde freuen. Oder, wie sich im Verlauf des Programms herausstellt, über eine bereits vor Jahren seine Kabarett-Tauglichkeit eingebüßt habende Peymann-Parodie und über eine platt-plakative, grimassenunterstützte Schilderung eines Besuchs beim Urologen. Alles Mittel, derer es im Kabarett nicht bedürfen darf, will es nicht zu einer entsprechend geistlosen Bedürfnisanstalt primitivster Ausprägung verkommen.
Hinter Prokopetz und seinem formvollendeten Stahlrohr-Stehpult prangt ein großformatiges Bild einer trostlosen Wüstenlandschaft, in der ein überdimensionales silbernes Fragezeichen verloren herumschwebt. Nicht daß es sich irgendwelche konkreten Antworten erwarten würde, aber vielleicht hofft es im Stillen auf zumindest den einen oder anderen richtungsandeutenden Fingerzeig. Vergeblich. Die selbstzufriedene Belanglosigkeit erfährt ja bereits im Untertitel des Programms ihre Legitimation : „Um was geht’s eigentlich ?“ Wobei der einzige Versuch der Klärung dieser Frage die vielleicht gelungenste Pointe des Abends zur Folge hat: Gott meldet sich via Handy im Vindobona – doch die Verbindung zum Allwissenden wird im entscheidenden Moment von einer möglicherweise noch höheren Macht unterbrochen. Und dann ist es endlich vorbei.
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