Fest aufs Maul
Der Standard 09/1994
Fairerweise muß bemerkt werden, daß es momentan kein Kabarett-Programm gibt, bei dem das Publikum von der ersten Sekunde an in eine dermaßen festzeltartige Ausgelassenheit verfällt, wie bei „Bitte nicht eintreten! Sie werden aufgerufen“ von Joesi Prokopetz, bzw. seinem alter ego Alfons Rädl, den er – physiognomisch unterstützt – mit überzeugender Darstellungskunst verkörpert. Und dabei ist das Ganze kaum mehr, als eine abendfüllende Gau-dimax-Folge. Jede Bestätigung der konstanten humoristischen Horizonts – im Bereich von „Die 100 besten Party-Witze“, Ausgabe 1920 – wird mit hemmungslosen, erschütternden Lachsalven honoriert: Ob an der Ostautobahn das Wiener Begrüßungsschild „Daham bleibt daham!“ so zugewachsen ist, daß nur noch „Bleib daham !“ zu lesen ist oder die finnischen Sauna-Aufguss-Weltmeister Heiko Tamponen und Olaf Kondomen heißen – die Stimmung steigt unaufhörlich.
Warum, ist ganz einfach: Hier nimmt einer den Begriff „dem Volk aufs Maul schauen“ wörtlich. Hier wird nicht müh-sam karikiert, ironisiert oder überhöht, keine Figur geschaffen, zu der man auf gesunde Distanz gehen kann, hier wird Stammtisch-Verbrüderung geübt: Rädl als frauenfeindlicher und rassistischer – ganz alltäglicher – Durchschnitts-Nachbar. Gelacht wird nicht über ihn, sondern mit ihm. Ein geradezu gefährlicher Befreiungsakt für jenen Teil des Publikums, dessen Charakter den menschlichen Unzulänglichkeiten des Herrn Rädl latent ähnelt.
In den Schatten gestellt wird das alles aber von einem Mann: Jack Fronczek. Mit wieviel Einfühlungsvermögen es ihm auf seinem Casio-Piano gelingt, die Witzpausen mit Melodien derartig begnadeter Unbeholfenheit zu füllen, daß die verbalen Niveaulosigkeiten fast relativiert werden, grenzt an Genialität.
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