Macht das Kabarett ernst?
Thomas Maurer & Florian Scheuba sind “Zwei echte Österreicher” und Alfred Dorfer beschäftigt sich mit seiner “heim.at”. Also ist das Kabarett plötzlich wieder politisch – freut sich der repolitisierte Zeigeist und füllt die Kleinkunstbühnen. Ein wunderbarer Irrtum, meint Peter Blau.
Der Standard 03/2000
Jetzt ist es also endlich so weit : das Kabarett ist wieder politisch. Hört man allenthalben. Fairerweise sei gesagt, daß man das auch schon hörte, als Alfons Haider seine erste Kabarett-Show vor fünf Jahren präsentierte. Auch da war erstaunlicherweise von der “Wiedergeburt des politischen Kabaretts” die Rede. Dabei kann doch nur etwas wiedergeboren werden, was laut allgemeinem Konsens tot ist. Diesen Konsens gab es aber zu keinem Zeitpunkt. “Das haben immer nur die gesagt”, erinnert sich Thomas Maurer, “die früher einmal selbst politisches Kabarett gemacht haben und mit ihrem Rückzug den Eindruck gewonnen haben, das sei jetzt aus. Und von Redakteuren, die das letzte Mal im Kabarett waren, als diese Generation noch aktiv war.” ”Also von Menschen”, faßt Alfred Dorfer zusammen, “die vom Kabarett keine Ahnung haben”. Fast noch mehr zu denken, gibt allerdings die Gegenposition : daß sich das politische Kabarett doch erübrige, wenn die Realität die Satire bereits überholt habe. Ein u.a. von den ”Brennesseln” und Peter Orthofer regelmäßig strapaziertes kabarettistisches Koprolith, dem bemerkenswerterweise ausgerechnet Marlene Streeruwitz unlängst wieder Intellektuellen-Tauglichkeit attestierte.
Unbestritten ist natürlich, daß sich in den letzten Jahren kein heimischer Kabarettist sonderlich darum gerissen hat, mit dem Etikett “politisch” geschmückt zu werden. Der deutsche – dezidiert politische – Kabarettist Matthias Deutschmann begründete diesen Umstand einst mit der “unter den österreichischen Kabarettisten umgehenden Angst, von der Krone als Nachfolger von Werner Schneyder ausgerufen zu werden.” Diese pointierte Vermutung hat einen durchaus wahren Kern : Mit dem hierzulande dem Begriff “politisches Kabarett” anhaftendem “hautgoût” (Maurer) wollte sich jahrelang kein Kabarettist seine Aura vermiesen.
Ein viel wesentlicherer Grund aber war die latente Gefahr, mit regierungskritischem Kabarett unfreiwillig in das Fahrwasser einer politischen Bewegung zu geraten, von der es sich doch mit aller Deutlichkeit zu distanzieren galt. Und dem damaligen Oppositionsführer allzu umfassende kritische Satire zu widmen, hätte wohl unweigerlich den Vorwurf der kontraproduktiven Überbewertung nach sich gezogen. Also gab sich das Kabarett privat. Gänzlich unpolitisch war es deshalb aber noch lange nicht. Bisweilen sogar ganz im Gegenteil : Ist es wirklich politischer, Peter Westenthaler “verföhnt” zu nennen (“heim.at”), als in einer zehnminütigen Nummer den Untergang der Sozialdemokratie allegorisch zu analysieren – wie das Alfred Dorfer in seinem vorangegangenen Programm “Badeschluß” getan hat ? Ist es politischer, Jörg Haider parodistisch aufzublättern (“Zwei echte Österreicher”), als einen kleinen FPÖ-Mandatar sein verkorkstes Weltbild von der Kanzel wettern zu lassen – wie das Thomas Maurer in seinem vorangegangenen Programm “Intensivdamisch” getan hat ? Nein. Es ist höchstens tagespolitischer. Und weil die Tagespolitik auch das “private” Leben von Kabarettisten in den vergangenen fünf Monaten zunehmend in Mitleidenschaft gezogen hat, ist die angebliche “Repolitisierung” des Kabaretts nicht mehr, als die von Zwängen befreite, innenpolitisch gewichtetere, logische Fortsetzung des bisweilen etwas spöttisch als Nabelschau-Satire pauschalisierten Kabaretts der 80‘er und 90‘er Jahre. Hinzu kommt, daß es derzeit ökonomisch nicht ganz ungeschickt ist, sich das Attribut “politisch” etwas deutlicher auf die Fahne zu heften.
Man täte aber Thomas Maurer & Florian Scheuba und – mehr noch – Alfred Dorfer Unrecht, würde man ihre aktuellen – und täglich aktualisierten – Programme auf die nebenstehenden, politischen Pointen reduzieren. In all der Euphorie rund um dieses vermeintlich “neue politische Kabarett” bieten sie unverändert etliche Gründe zu der Annahme, daß die künstlerisch-kabarettistische Behandlung globaler, politischer Problematiken (wie von Josef Hader in “Privat”) und gesellschaftspolitisch bedingter individueller Befindlichkeiten nicht gänzlich von einer innenpolitischen Situation überlagert wird, der – so viel Optimismus muß erlaubt sein – dereinst keine weltgeschichtliche Relevanz zukommen wird. (pb)
Zitate aus “Zwei echte Österreicher” von Thomas Maurer & Florian Scheuba:
“Der Jörg Haider hat ja jetzt die Führung der FPÖ zurückgelegt. Das ist schon lieb. Ein bisserl so, wie wenn der Willi Restarits sagt, er mischt sich ab sofort nicht mehr ins Leben vom Ostbahn-Kurti ein.”
“Natürlich gibt es für einen politischen Kabarettisten nichts besseres, als eine Regierung, die wirklich jeder im Saal haßt. Mit Ausnahme von ein paar freiheitlichen Bezirks-Schackln, die mitschreiben, ob man uns klagen kann. Eine Regierung, die jeder haßt und in die man sich als politischer Kabarettist monatelang vor ausverkauften Häusern verbeißen kann. Eine Regierung, die aber trotzdem so nett ist, die aufgrund der ausverkauften Häuser fällig werdenden Spitzensteuersätze abzusenken.”
“Ich hab ja bereits materiell profitiert von der neuen Regierung : Ich hatte nämlich mit einigen befreundeten Politik-Journalisten namhafte Beträge gewettet, daß das erste Regierungsmitglied, das wegen Überforderung zurücktritt, nicht Sozialministerin Sickl sein würde. War natürlich Hasard. Ich muß nämlich gestehen, daß ich eigentlich mit Infrastruktur-Minister Schmid gerechnet hatte, und jetzt mit dem gewonnenen Geld ein wenig ratlos dastehe, weil ich es zweckgebunden widmen wollte : für die Anschaffung eines Jaguars, mit dem ich solang ums Justizministerium im Kreis fahre, bis der vor Zorn aus dem Fenster hupft.”
“Um die Kirche im Dorf zu lassen, muß man natürlich sagen, es gibt schon Länder mit weitaus schlimmeren Regierungen : Serbien, Afghanistan, Elfenbeinküste, Kärnten …”
“Herr Dr. Haider, sind oder waren sie bi- oder homosexuell ?”
Haider (Scheuba): “Ich halte prinzipiell nichts davon, politisches mit Privatem zu vermischen. Deshalb wird man von mir auch nie ein Wort über die völlig zerrüttete Ehe von Herrn Wolfgang Schüssel hören. Zweifellos gibt es intime Beziehungen, die mir zugeordnet werden. Ich möchte aber dazu sagen, daß ich auch in diesem Bereich immer meinen Grundsätzen treu geblieben bin – und nie jemanden ausgegrenzt habe.”
“Ich habe es satt, von irgendwelchen Trotteln angeredet zu werden, daß ausgerechnet Du für mich als Kabarettist ein Glück wärst. Ich brauch dich nicht. Und schon gar nicht als Kabarettist. Ich habe es so satt. Ich habe dich so satt. Das einzige, was ich noch mehr satt habe, sind die Gfriesa, mit denen ich angeblich solidarisch sein muß, damit wir dich gemeinsam verhindern. Ich will nicht plötzlich Peter-Turrini-Stücke super finden müssen, ich will nicht nach Belgien skifahren, und wenn der Reinhard Fendrich sagt, er wandert aus, dann will ich froh sein – und nicht solidarisch! Schleich dich einfach bitte endlich heim !”
“Du bist zwar sicher nicht so g’scheit, wie du glaubst, aber du kannst mir doch nicht erzählen, daß dir das Ganze nicht schon bis da steht : ständig grinsen, ständig gewinnen, ständig cool sein müssen, ständig darüber nachdenken, wie komm ich auf’s nächste News-Cover, ständig irgendwelche depperten Verkleidungen anziehen, am Nachmittag im Bierzelt aus’m Lodenjanker ausseplärren und am Abend im feinen Zwirn über die Föderalismus-Reform debattieren – und zwischendurch womöglich mit’m Westenthaler auf ein Bier gehen. Ich mein, du kannst mir doch nicht erzählen, daß das ein geglücktes Leben ist. Das muß dir doch in den paar lichten Momenten, die du hast, auch auffallen. Du mußt doch auch schon langsam genug haben, oder ?”
Haider (Scheuba): “Nein.”
Zitate aus “heim.at” von Alfred Dorfer
Alfred Dorfer: “Ich möchte zu Beginn gerne einen neuen Volkssport betreiben : Ich möchte mich entschuldigen. Für all das, was ich heute sagen werde, oder was ich nicht sagen werde. Ich möchte auch, daß sie sich bei mir ein wenig entschuldigen. Oder, daß wir uns alle gemeinsam entschuldigen. Für irgendwas. Wichtig ist nur, daß man es nicht ernst meint, sonst macht es keinen Spaß.”
“Am Anfang war nichts, keine Zeit, kein Raum, nur Masse. Und dann plötzlich – ein Urknall. Und die Massen stoben auseinander. Tolle Bedingungen am Beginn des Universums : Milliarden von Grade, giftige Dämpfe, kein Sauerstoff : wie in einer Herrensauna. Nach ein paar Sekunden ist das Universum abgekühlt auf bacherlwarme eine Million Grad und dehnt sich nur noch aus. Interessant : Soviel Aktivität am Anfang und dann nur noch ausdehen. Ein bisserl sozialdemokratisch.”
“Wo entwickeln wir uns hin ? Ich hab‘ da ein kleines Problem mit der österreichischen Innenpolitik, vielleicht können sie mir helfen : Wenn Etwas ganz offensichtlich Nichts ist, und es entwickelt sich, entwickelt sich dann Etwas oder entwickelt sich Nichts. Ich möchte, daß sie zu diesem Thema in der Pause Arbeitsgruppen bilden, etwas herausarbeiten – und das dann wegschmeißen. Und wenn sie sich vorstellen, sie machen das, was sie bei mir in der Pause machen, hauptberuflich und ich bezahle sie dafür fürstlich mit Steuergeldern, dann wissen sie ungefähr, was ich meine.”
“Die letzten Wahlen waren Wende-Wahlen – und wir wissen : wenn es in Österreich ein Wende gibt, dann hat sie viele Hälse. Und um manche ist ein Mascherl.”
“Interessant ist, daß manche Lebewesen die ganze Evolution brauchen, um sich anzupassen – und manche nur ein paar Monate.”
“Ist es nicht einmalig, wie sich die Freiheit entwickelt hat ? Sie ist so fesch geworden. So fesch ! Kennen sie Peter Westenthaler ? Jedesmal, wenn ich ihn sehe, denke ich mir : fesch ! A bisserl verföhnt vielleicht, aber fesch. Was früher der Geist von Freiheit war, ist heute frei von Geist.”
“Hallo, Papa.” – “Hallo, Sohnemann. Was gibt’s Neues ?” – “Ich muß die Vierte wiederholen” – “Sieh’s positiv : dann bist du ein Jahr später arbeitslos.”
“Man kann meine Band übrigens auch als Damenkapelle mieten. Die passen sich da ganz den österreichischen Wirtschaftsverhältnissen an : sie spielen das gleiche, aber für weniger Gage.”
“Wir proben gerade ein neues Stück, das heißt “Regierungsbildung” : da spielt jeder auf einem Instrument, das er nicht beherrscht. Die Jungs gehen dann immer unterirdisch zum Auftritt. Tolle Stimmung – nicht zu ausgelassen : wie in der Aufbahrungshalle des Friedhofs der Namenlosen. Die Jungs haben aber natürlich eine Präambel unterschrieben für mich : Erstens, wir sind Musiker. Zweitens, wir spielen Instrumente. Drittens, wenn’s regnet, is‘ nass.”
“Grüß Sie, ich wollte etwas umtauschen. Ich trage das schon seit geraumer Zeit mit mir herum. Es ist eine Meinung … und die die ist schon ein bisserl durchgewetzt. Besonders links. Ich sitz nämlich unlängst mit ein paar SPÖ’lern zusammen und sag etwas gegen den Sozial-Abbau – und ich merke : es versteht mich keiner mehr. Es ist nicht mehr hip. Kann man das eintauschen ?” – “Das nimmt ja nicht einmal mehr die Caritas, bitte. Aber nehmen sie doch eine zweite Meinung zu dem Thema. Ich hätte da zum Beispiel : Am Arbeitsamt ist eh geheizt. Das gibt’s in Kombination mit einem Blondinen witz.” – “Eine zweite Meinung zu einem Thema ? Das geht einfach ?” – “Sicher. Mein bester Kunde kommt aus Kärnten, der hat praktisch zu jedem Thema jede Meinung.”
“Das ist es : Du darfst wieder lügen. Du mußt es nur ehrlich meinen.”
“Zwei echte Österreicher”, Thomas Maurer & Florian Scheuba : 10.3. Oberwart / 14.3. Akzent, Wien / 17. – 31.3. Rabenhof, Wien / 1.4. Wiener Neustadt / 3. & 10.4. Vindobona, Wien / 6.4. Ybbs / 11.4. Posthof, Linz / 26. & 28. 4. Metropol, Wien.
“heim.at”, Alfred Dorfer : bis 15.4. Orpheum (ausverkauft) / 25.4. – 20.5. Vindobona.
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