Poier, don’t preach!
Der wahre Alf Poier ist ein weißes Blatt Papier.
kabarett.at 10/2008
Der wahre Alf Poier ist also ein weißes Blatt Papier. Das ist eine der beiden fundamentalen Erkenntnisse, die der steirische Guru-Kasperl seinen Zuschauern im Verlauf von „Satsang“ präsentiert. Die zweite lautet in etwa, dass die Suche nach Erleuchtung ein Irrweg ist. Das Ziel dürfe nicht sein „Befreiung durch Religion“, sondern „Befreiung von Religion“. Das einzige, was wirklich zähle, sei das Bewusstsein. Soll sein.
Deshalb erscheint Alf Poier auch als weiß-gewandeter Gesandter seiner im niederösterreichischen Eggendorf liebevoll errichteten „Botschaft für Bewusstsein, Scheißdreck und Kunst“ auf der Kabarett-Bühne. Und seine völlig unverständlich gekauderwelschte, gestammelte und gekreischte Eröffnungsansprache samt unbeholfener Simultanübersetzung ist gleichzeitig auch schon der Höhepunkt seines neuen Soloprogramms. So lustig wird es höchstens noch einmal ganz am Schluss, wenn er DJ Ötzis „Ein Stern, der deinen Namen trägt“ mit Hilfe einer mittels rhythmischer Hintern-Bewegungen auf einem Luftmatratzen-Blasebalg betriebenen Melodica zum Besten gibt. Die knappen 80 Minuten dazwischen dauern gefühlte 80 Tage.
Dass seine Botschaft ein Zweitwohnsitz sei, weil sie „z’weit“ weg von Wien sei, ist noch einer der besseren Witze des Abends. Sein übelster sei an dieser Stelle nicht verschwiegen: Ein schwuler Bekannter habe sich bei ihm ausgeheult, dass sein Freund ein Arschloch sei. Das habe er nicht verstanden – denn was könne einem Schwulen denn schöneres passieren? Ebenfalls keines Kommentars bedarf seine plumpe Provokation, die wirren Thesen eines amerikanischen Serienkillers kritiklos zu einem erkenntnistheoretischen Liedlein zu vertonen. Bei Massenmördern hört sich auch in der Kleinkunst der Minderheitenschutz auf.
Natürlich hat Alf Poier das Problem, dass seine eigentümliche, ungekünstelte Erscheinung, seine kindlichen Wortspiele, seine betont blödsinnigen Bastelwerke und seine vielen Pointen aus naturtrüber Bodenhaltung nicht mehr den Effekt hervorzurufen vermögen, wie zu Beginn seiner Kabarett-Karriere. Was haben wir damals gestaunt und gelacht – über so viele aufrechte Dorftrotteleien mit philosophischem Gemüse. Und jetzt? Geht einfach nicht mehr.
Denn in „Satsang“ wirkt Poier wie ein lalomanischer Prediger, der seine gewiss ernst gemeinte Heilslehrenverkündung gelegentlich mit unerheblichen Liedern und mehrheitlich sehr entbehrlichen Gags unterbricht. Wenn der wahre Alf Poier wirklich ein weißes Blatt Papier ist, dann möge er diese Chance möglichst bald nutzen und sich selbst neu erfinden. Der bisherige Poier ist in seinem Museum gut und würdig aufgehoben.
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