Auffi zu die Stern
Der Standard 05/1998
Den heurigen „Salzburger Stier“ bekommt für Österreich der polarisierende Trash-Kabarettist, Karikaturist und Musiker Alf Poier
„Es woa amoi a Mola, der hot koa oanzigs Büd net gmoin, obwoi maun wirklich sogn muass, er hot sei Lebn long woin !“
Es war am 22. April 1995 im noch nahezu menschenleeren Grazer Theatercafé kurz vor Beginn des Abschlussabends des Kabarett-Nachwuchswettbewerbs „Grazer Kleinkunstvogel“, als ein bebaskenmützter Finalist resigniert in einen Sessel sank und mit bestürzender Bestimmtheit konstatierte: „Schod‘, des wird heit‘ nix !“ Es war schon den ganzen Tag lang nicht sein Tag gewesen. Und weil er wusste, dass er auf der Bühne kein Programm würde abspulen können, selbst, wenn er wollte, weil nicht mehr und nicht weniger als nur er selbst der Hauptbestandteil seines Programms war, ging seine düstere Prognose natürlich in Erfüllung: Sein 15-minütiger Auftritt – sein erst zweiter als „Kabarettist“ – geriet zu einer verunsicherten und holprigen Mischung aus Lebensmittel-Verkaufs-Show und Publikums-Konversation, aus Liedern über „Lychees aus China“ und – über sich selbst:
„Es woa amoi i söba, i wuit wos bsundas wean, woit auffi auf’n hechsten Berg, woit auffi zu die Stern.“
Der Erkenntnis, dass der Weg zu seinen Sternen mit einer irdischen Karriere nichts zu tun hatte und ihm jeglicher Beruf nur als Mittel zum Zweck der kurzzeitigen Kühlschrank-Füllung diente, verdankt der Judenburger eine beeindruckend lange und abwechslungsreiche Liste befristeter Dienstverhältnisse: u.a. als Rußputzer, Profi-Schlagzeuger – und als Billa-Filialleiter: „Des hot deshoib net funktioniert, weu i immer nur gsogt hob: passt scho, tuats eich net so vü an.“
Funktioniert hat es während seines zehnjährigen Polytechnikums eigentlich nur sportlich : als Langstrecken-Bergläufer. In dieser Disziplin wurde er nicht nur steirischer Meister, sondern landete 1988 sogar auf dem 22. Platz bei der WM in Schottland: „Da haums ja nur Hügerln. Auf Bergen woa i besser.“
„I woa amoi a Kind, doch jetzt bin i a Maun. Maunchmoi mecht i wissen, was do no kumman kaun.“
Nun, heuer kommt immerhin der „Salzburger Stier“, jene von den Sendeanstalten ORF/ARD/SRD am 19. Juni in Baden-Baden verliehene und in der deutschsprachigen Kleinkunst-Szene recht förderliche Plastik. Überreicht wird ihm diese Auszeichnung von Alfred Dorfer, der sich – nach wochenlanger, intensiver Beschäftigung mit allen in Frage kommenden Kandidaten – für den 31-jährigen Steirer entschied, weil er „mit Abstand am eigenständigsten und unverwechselbarsten“ sei.
Alf Poier ist ein „Lebenskünstler und Antitalent“. Sagt er selbst. Und unter herkömmlichen Gesichtspunkten mag das stimmen. Doch die sind bei ihm fehl am Platz. Denn Poier ist auch kein herkömmlicher Kabarettist. Wenn überhaupt einer. Seine Kunst ist schlicht das Gegenteil jeglicher Künstlichkeit. Ohne Berechnung oder konstruierte Absichten. Zwar hat er seit dem verpatzten „Grazer Kleinkunstvogel“ gelernt, mit seinen vielfältigen Ausdrucks-Möglichkeiten so professionell umzugehen, dass das seinerzeitige STANDARD-Etikett „Risiko-Kabarett für Kleinkunst-Extremisten“ für sein stetem Wandel unterworfenes Programm „Himmel, Arsch und Gartenzwerg“ nicht mehr ganz zutreffend ist, aber seine größte Qualität ist und bleibt seine beseelte, überzeugende Natürlichkeit: Ob er des Nachmittags seine zahlreichen selbst-gebastelten Requisiten im Einkaufswagerl von seiner Wohnung in die „Kulisse“ transportiert, oder des Abends Groschen-Romane im Publikum verteilt und spontan sinnlose Wort-Ketten zusammenassoziiert.
Denn gerade diese in ihrer Simplizität oftmals komplexen philosophischen An- und Einsichten aus scheinbar naturtrüber Bodenhaltung – ob sie sich jetzt in seinen Karikaturen, Liedern oder Gedichten manifestieren – sind zumeist dermaßen klar- und weitsichtig und voll unbeschönigter, zügelloser Phantasie, dass man sich sympathisierender Gefühle für den lausbübischen Propheten der Einfachheit kaum erwehren kann. Ein immer wieder überraschender Lustwandler auf dem traditionellerweise recht schmalen Grat zwischen Dorftrottel und Philosoph – und doch nur ganz er selbst. Wer ausgerechnet ihn als schräg empfindet, blickt halt nur aus einem sehr engen, subjektiven Winkel auf diesen geraden und aufrechten Entertainer.
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