Dreifacher Rösselsprung
Eggendorf hat rund 20 Häuser, knapp 60 Einwohner, eine Kirche – und ein Alf-Poier-Museum.
kabarett.at 10/2008
Eggendorf liegt knapp 50 Kilometer vor Wien. Sofern man von Krems kommt und beschließt, querfeldein durch den Bezirk Tulln in Richtung Bundeshauptstadt zu fahren. Eggendorf hat rund 20 Häuser, geschätzte 60 Einwohner, eine kleine Kirche und sonst nichts. So war das zumindest, bis sich Alf Poier vor zwei Jahren hier einen hübschen Gutshof gekauft und in sorgfältiger Handarbeit und mit Liebe zum Detail in einen beeindruckend bunten Alf-Poier-Amusementpark umgestaltet hat. Ein Plan, der in seinen Grundzügen bereits seit Ende der 90er im Kopf des anarchischsten heimischen Clowns herumgespukt hat. Seit dessen Umsetzung findet sich auf der Wikipedia-Seite der Gemeinde Sitzenberg-Reitling, zu der Eggendorf zählt, unter „Bekannte Persönlichkeiten“ neben Leopold Figl also nun auch der Name Alf Poier.
Der Künstler hat darauf Bedacht genommen, dass sein Anwesen äußerlich nicht wie ein völlig verirrter Fremdkörper im schlichten, rustikalen Umfeld wirkt. Nur ein paar seiner Basteleien und eine Tafel mit einem sich übergebenden Bundesadler, der ein Jolly-Eis und einen Klobesen in seinen Krallen hält, verraten, dass hinter dem großen Tor die „Botschaft für Bewusstsein, Scheißdreck und Kunst“ zu finden ist.
Der Komplex umfasst zwei Häuser. In einem wohnt er, das zweite beherbergt das Alf-Poier-Museum. Wobei die Privatgemächer durchaus auch etwas Museales haben. Überall finden sich seine Skulpturen, Installationen und Gemälde. Die meisten davon spiegeln das Spannungsverhältnis zwischen Sexualität und Spiritualität wieder. Ganz der private Poier.
Das Museum ist ein Fall für Fans, die sich an Poiers Faible für simplen Nonsense und anderen Abstrusitäten mal so richtig satt sehen wollen: In drei Räumen präsentiert er – sorgfältig in Vitrinen verschlossene – Requisiten und Reliquien aus seinen vier Soloprogrammen. Dazu Erinnerungsstücke, Zeitungsausschnitte, biografische Collagen, jede Menge übersichtlich angeordneter anderer Kramuri und viele seiner großformatigen Bilder und Zeichnungen. Ebenfalls zu bewundern sind seine diversen Wandernadeln namens „Salzburger Stier“ oder „Deutscher Kleinkunstpreis“.
Natürlich ist auch der Hof ein wesentlicher Teil dieses beeindruckenden Poier’schen Gesamtkunstwerks. Denn auch der ist bestens ausgestattet mit den Ergebnissen des Künstlers Liebe zu kuriosen Bastelarbeiten. Weitere, zum Teil noch etwas wahllos verstreute Fundstücke scheinen nur darauf zu warten, dass auch sie irgendwann durch die Hand des Meisters zu Unikaten erblühen.
Die Hofmauer schmücken zwei ein wenig im indischen Plakat-Stil gehaltene Wandgemälde der Künstlerin Martina Kainz: einerseits des Tores die hinduistische Gottheit Shiva, andererseits eine christliche Madonna mit entblößtem Geschlecht. Die heilige Hure, wie Poier sie nennt. „Damit werden die Dogmatiker wohl ein Problem haben“, räumt er ein. Den besten Eindruck von diesem Bild bekommt man, wenn man es um 12 Uhr mittags betrachtet. Dann läuten nämlich die Glocken der unmittelbar hinter der Mauer stehenden, gut sichtbaren Dorfkirche.
Erstaunlich fast, mit welch freundlicher Gelassenheit sich die zum „Tag der offenen Tür“ geladene Dorf-Bevölkerung durch dieses personenkultige Alf-Poier-Wunderland führen ließ. Getreu der Devise „Leben und leben lassen“. Wer dem Dorf ein derartiges Fest samt Medienrumml spendiert, kann kein Böser sein. Ist er ja auch nicht. Höchstens ein schelmischer Provokateur mit Mission. Aber ein authentischer. Ironiefrei und aus tiefstem Herzen.
Apropos Authentizität: Natürlich war es ein geschickter Schachzug, die EggendorferInnen für Statisten-Rollen in Poiers wöchentlicher ORF-Reality-Sitcom „Alfs Welt“ zu engagieren. Eine friedliche Vereinnahmung, die möglichen Feindseligkeiten offenbar jeden Wind aus den Segeln zu nehmen vermochte. Überdies machen die Laien-Darsteller ihre Sache hervorragend. Tullnerfelder Naturtalente aus biologischem Anbau. Zu sehen ab dem 11. September im Rahmen der Donnerstag-Nacht.
Und damit wären wir beim eigentlichen Geniestreich dieser Veranstaltung. Poier und seinem Manager Berto gelingt nämlich dieser Tage ein raffinierter, dreifacher Rösselsprung. Oder anders: eine sich gegenseitig befruchtende Dreifaltigkeit … um noch einen kleinen Abstecher in das oben erwähnte Spannungsfeld zu wagen. Und die funktioniert folgendermaßen: Den journalistischen Großauftrieb anlässlich der Eröffnung seines Museums nutzt Poier auch zur Präsentation seiner neuen TV-Show und seines neuen Kabarett-Programms „Satsang“. In der TV-Show wiederum geht es hauptsächlich um das Museum – und jede Folge endet mit einem eingeblendeten Hinweis auf das neue Solo. Und dessen Premiere am 1. Oktober werden der Herr Berto und sein Künstler gewiss auch wieder intensiv zur Bewerbung der Fernseh-Serie und des Museums nutzen. In Summe fast schon ein Perpetuum Mobile der Promotion. Hut ab. Da spielt es auch keine Rolle, dass die Eröffnung des Poier-Museums gleichzeitig dessen vorläufig letzter Öffnungstag war. Zu besichtigen ist es erst wieder ab Mai.
0 comments on Dreifacher Rösselsprung