In bed mit die Geschwister Pfister
kabarett.at 09/2007
So pseudo-autobiographisch ist es bei den famosen Geschwistern Pfíster schon lang nicht mehr zugegangen. Für die Rahmenhandlung ihres aktuellen Programms sorgt nämlich das Ansinnen einer prominenten BBC-Journalistin, mit Toni, Ursli und Fräulein Schneider eine homestory drehen zu wollen. Also bereitet sich die familiär verstrickte Wohngemeinschaft mehr widerwillig als euphorisch auf den bevorstehenden Besuch vor, schwelgt in rustikalen Erinnerungen an die Kindheit in Zermatt bzw. die erste „standing ovulation“ in Bulgarien – und durchackert ihre vielschichtigen Beziehungsebenen. Ihr Umgang miteinander pendelt dabei haltlos zwischen Hingabe und Rücksichtslosigkeit, Ekstase und vorsätzlicher Verletzung, Liebe und Selbstmitleid.
Doch die Journalistin hat Verspätung – und so erlebt das Publikum nach der Pause die Geschwister Pfister ganz privat. Nämlich mitten in der Nacht. Verschlafen, versoffen, verrückt. Frl. Schneider versumpft am Eiskasten, Ursli wird von allen guten und gutmeinenden Geistern verlassen – und Toni träumt sich nach Hawaii. Und weil die Legende der Pfister um jeden Preis weiterleben muss, mutiert Ursli am Ende zum blutverschmierten Broadway Baby. Das sollte als zugkräftiger Cliffhanger genügen.
Die drei Pfister-Figuren reifen in „Home, Sweet Home“ immer mehr zu grotesken Karikaturen ihrer selbst : „Frollein“ hat von Anfang an ordentlich einen in der Krone – und einen unsäglichen Lampenschirm als Kopfbedeckung. Das sich in Anbetracht dieser torkelnden Tragödie aufdrängende Wortspiel „kräftig illuminiert“ sei hiermit exekutiert. Ursli räkelt sich weitgehend unangezogen im Rollstuhl und verwandelt sogar einen handelsüblichen Staubsauger in ein erotisches Accessoire. Und Toni versucht vergeblich, Peinlichkeiten zu verhindern. Mit seinem blassen Gesicht und seiner engen Schlafmütze erinnert er immer mehr an einen vom Strudel der Geschehnisse überforderten Weißclown.
Bei allem Spaß verzichten die Geschwister Pfister aber auch nicht auf aktuelle Kommentare. Dass sich Ursli beim Room-Service zum Frühstück mit ernstem Tonfall „zwei Eier Benedikt, please“ bestellt, ist ein unmissverständlicher Nachschlag auf die Papst-Visite.
Ihr angeblich so authentisch-heimatliches Bühnenbild stellen sich die Pfisters im Lauf der Show immer wieder ganz ungeniert aus allerlei Theater-Kulissen-Teilen zusammen. Alles nur Fassade. Schließlich besteht ja das ganze Showbusiness auch nur aus vorgegaukelten Versatzstücken aus dem Fundus der öffentlichen Bedürfnisse. Im Vordergrund steht bei den Pfistern natürlich wieder die Lust am Dick-Auftragen und am ausufernden Albern. Perfekt choreographiert, versteht sich. Amüsement auf höchstem Niveau. Musikalischerseits wie üblich dank der unaufdringlichen Unterstützung des exakt akzentuierenden Jo-Roloff-Trios.
In Summe ergibt das einmal mehr eine hinreißend überdrehte, schrill-kitschige Posenparade der großen Gefühle, gespickt mit unerhörten Schnulzen und Jodlern, Chorälen und Kunstliedern. Schlicht ein weiteres, unverzichtbares Kapitel in der möglichst unendlichen Geschichte der Geschwister Pfister. Besonders schön : In den Kammerspielen mischt sich die langjährige Pfister-Fangemeinde mit dem klassischen Josefstadt-Publikum. Da sitzen dann bisweilen fanatische Begeisterung und verständnislose Entrüstung Seite an Seite.
- Bis Montag 17.9. allabendlich in den Wiener Kammerspielen (nur noch wenige Restkarten!)
- Ö-Tournee: 21.9. Graz/Orpheum, 22.9. Linz/Posthof, 23.9. Salzburg/Republic, 25.9. Innsbruck/Treibhaus, 26.9. Braunau/Gugg
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