Randy goes Vegas
„It takes a whole lot of medicine for me to pretend I’m somebody else.“
kabarett.at 09/2008
Gibt es vernunftbegabte Menschen, die Randy Newman nicht mögen? Gibt es offenherzige Menschen, die sich der Ausstrahlung von Ursli Pfister entziehen können? Nein, gibt es nicht. Weder und noch. Wenn also nun Ursli Pfister Songs von Randy Newman interpretiert, kann das folgerichtig auch ganz schön in die Hose gehen. Kann aber auch super sein. Um die Conclusio vorwegzunehmen: Zweiteres ist der Fall.
Denn ist es gerade der Kontrast zwischen den inhaltlichen Anliegen des großen, amerikanischen Songwriters und dem Glamour-Show-Gehabe des Schweizer Entertainers, der Newmans kritischen Texten eine ganz neue Leuchtkraft verleiht. Scharfkantige Gesellschafts-Satire im Las-Vegas-Show-Format. Das knallt. Nicht zuletzt auch dank der grell-protzigen Licht-Regie, die im „Theater Akzent“ kein verfügbares Watt auslässt. Ursli Pfister singt Randy Newman – das ist ein Projekt, das in seiner vorsätzlichen Widersprüchlichkeit vielleicht vergleichbar wäre mit der durchaus wünschenswerten Vorstellung, die Kammerspiele würden ein Programm von Martin Puntigam aufführen.
Denn Randy Newmans Lieder sind ja nicht selten heftige – anfänglich gut getarnte – Angriffe auf den american-way-of-life oder die kurzsichtige und enghorizontige Perspektive, aus der seine Landsleute das Weltgeschehen betrachten. Es sind die Selbstherrlichen und Unverbesserlichen, die er von Strophe zu Strophe tiefer in die eigenen Abgründe taumeln lässt. Teils hinterfotzig-entlarvende, teils rührend-melancholische Charakterstudien. Beängstigende Liebeslieder und böse Hymnen. Das Werk eines Aufrechten. Kilometerweit entfernt von Kitsch, Klischee und Schönfärberei. Also jenen Ingredienzien, die sich üblicherweise über glitzernde Showtreppen ins Rampenlicht ergießen.
Glitzer, Pomp und Posen – das ist indes die Welt des Ursli Pfister. Und seine Newman-Interpretationen – wie gewohnt mit instrumentaler Unterstützung des tadellosen „Jo-Roloff-Trios“ – wirken dadurch teilweise noch intensiver und gänsehauterregender, als die Originale. Die Bühne wird zur schiefen Bahn – und diese Schräglage schärft die Schlagschatten. Dazu bedarf es beispielsweise gar nicht der – zugegebenermaßen durchaus effektvollen – Verwendung eines elektrischen Stuhls als schwungvoll Pirouetten drehendes Requisit zu „Better off dead“.
Erstmals lässt Ursli Pfister auch seinen Darsteller Christoph Marti auftreten : In den Conferencen erzählt er von seinen privaten „American Dreams“, mit denen er als 16-jähriger als Austausch-Schüler nach Texas kam. Und von seinen Erlebnissen und Erfahrungen, die ihn hinter die schmucken Fassaden des amerikanischen Klein- und Großbürgertums blicken ließen. Ja, ja: „Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten“. Und die sind auf der Schattenseite dieses amerikanischen Mottos noch um einiges schillernder als auf der Vorderseite.
Nicht unerwähnt bleiben dürfen die „Erynnien“. Drei Tänzerinnen, die sich gelegentlich gebärden wie eine hemmungslos-anarchische Splittergruppe des MDR-Fernsehballetts. Originelle Choreographien zwischen albern-überdreht und furchteinflößend-verführerisch.
Sein Randy-Newman-Abend „American Dreams“ sei der erste Teil einer Trilogie, kündigt Marti augenzwinkernd an. Das nächste Programm hieße dann „Texas“ und böte ausschließlich Songs von Willie Nelson. Im dritten Teil werde er sich schließlich unter dem Titel „Es geht mir gut“ des Werks von Mireille Mathieu annehmen. Möge er das bitte ernst gemeint haben.
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