Kratochwill gibt sich die Weltkugel
Belanglos, aber dafür nicht besonders lustig.
kabarett.at / 20. Oktober 2004
Wenn bei einer erfolgreichen Fernsehserie eine Nebenfigur beim Publikum gut ankommt, bekommt sie bisweilen eine eigene Sendereihe. “Stockinger” war so ein Fall. Im TV-Jargon heißt diese gängige Methode der quotenwirksamen Weiterverwertung “spin-off”. Im Kabarett war diese Praxis bislang nicht usus. “Peter & Teutscher” leisten da mit ihrem neuen Programm gewissermaßen Pionierarbeit. In “Frau Kratochwill erklärt die Welt” (Regie: Philipp Mosser) lassen sie zwei Stunden lang jene Dame die erste Geige spielen, die schon seit Jahren ihren nummerierten Fixplatz in den gemeinsamen Programmen des studierten Publizisten und des praktizierenden Arzts hat.
Norbert Peter verkörpert diese bei den Stammkunden beliebteste Kreation aus dem Hause “Peter & Teutscher”: Eine 81-jährige Rentnerin, die stets mit Wollhauberl und Regenschirm gegen spontane klimatische Unbill gewappnet, tief gebeugt über die Bühne schlurft und grimassierend und grantelnd ihre zwischen grenzsenil und hausverständlich pendelnden Ansichten zum Besten gibt. Und das gelegentlich durchaus gewitzt und originell : “I hob nix gegen die Jungen. I nehm a Pulverln.” Mit der Erklärung der Welt hat sie sich aber eindeutig übernommen.
“Nur eine alte Frau reden zu lassen, wäre zu wenig”, erkennt Ronnie Teutscher als Erfüllungsgehilfe von Frau Kratochwill einleitend, “das haben schließlich viele zuhause auch.” Und auch die, die das nicht zuhause haben, kommen nicht unbedingt deswegen ins Kabarett. Also gibt es zur Auflockerung ein paar vorsätzlich mühsame “special-effects” mit Hilfe einer Nebelmaschine und bunten Scheinwerfern – und eine ominöse Liste, die dem Abend Struktur verleihen soll. Auf ihr stehen all jene Themen, zu denen sich Frau Kratochwill im Lauf des Programms äußern will : “Tod, Sterben, Hospiz, Einsamkeit, Heim, Inkontinenz und Verlassensängste … das ist doch eh dasselbe, oder?” Und mit diesem Gag ist die Liste leider auch schon wieder Geschichte – und “Peter & Teutscher” lassen wieder eine alte Frau reden.
Ronnie Teutscher ist als schikanierter Bühnenassistent – “Man muss deutlich mit ihm reden. Er ist Arzt!” (Kratochwill) – nur als Nebenfigur präsent. Und als solche gibt er im Gegensatz zu seinem Bühnenpartner nie vor, unterhaltsamer zu sein, als er ist. Das hat immerhin die Sympathie der Authentizität. Dankbar quittiert das Publikum auch seine musikalischen Einlagen am Flügel, zu denen Frau Kratochwill den “Kipferl im Kaffee”-Blues anstimmt und – als Zugabe – ihre Begegnung mit einem französischen Besatzungssoldaten besingt. Zwei der gelungeneren, stimmungsvolleren Passagen. Insgesamt bleiben “Peter & Teutscher” aber auch in ihrem 8. Programm auf dem Niveau des liebenswerten Laien-Kabaretts. Und das liegt vor allem an ihrem hölzernen Auftreten, ihrer bemühten Bühnenpräsenz und ihrer wenig überzeugenden schauspielerischen Leistungen.
Am witzigsten ist die Kratochwill noch, wenn sie nach der Pause Publikumsfragen beantwortet. Da macht sich jene Spontaneität und Routine bezahlt, die sie als Gastgeberin von kabarettistischen Talkshows im “Theater am Alsergrund” erworben hat. In punkto Belanglosigkeit fügt sich aber auch dieser Abschnitt nahtlos in sein Umfeld ein. Belanglos ist per se noch nichts Schlechtes. Das sind viele Programme – aber dafür dann zumindest lustig ! Und auch daran hapert es bei Frau Kratochwill gewaltig. Dabei hätte der Abend durchaus witziges Potential – für zwei oder drei kurze Nummern im nächsten “Peter & Teutscher”-Programm. Von ein paar zu Amusement wild entschlossenen Lach-Nestern im hinteren Drittel des “Orpheums” abgesehen, verließ das Premieren-Publikum tendenziell eher gelangweilt den Tatort.
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