Otto Live
Der Standard 10/1995
Legenden haben es manchmal leichter: Auf Rollerblades fetzt ein Endvierziger durch die Wiener Stadthalle, stolpert, fällt – und hat die Massen doch von Anfang an auf seiner Seite und fest im Griff: Otto Waalkes, das friesische Phänomen, der Schöpfer unsterblicher Sketche, der gediegene Gag-Recycler – von Heinz Erhart bis Vicco von Bülow – und heute wie damals vor 20 Jahren, da er mit Harry Hirsch und Jens-Peter Perlich, mit Föhni, dem verzauberten Föhn, und der aufmüpfigen Milz im interhumanen Funkverkehr Furore machte, einer der begnadetsten Ganzkörper-Komiker deutscher Zunge.
„Otto-Live“ ist auch 1995 noch ein Lehrstück in Sachen Solo-Comedy-Entertainment: Mit arabisch-schütterer Frisur – „ach-sach-ma-wa-da-ma-Haar-dran“ -, einem Kinderwagen voll Requisiten und seiner 5-köpfigen Rockband „Die Friesenjungs“ beweist er eindrucksvoll, dass sich „stand-up“ nicht auf das Vortragen von Witzen, Parodie nicht auf das Imitieren von Stimmen und Kabarett nicht auf Kleinkunst-Bühnen beschränken muss. Hier eine wortwitzige Bergdoktor-Nummer, da eine allzu zerbrechliche Gitarre: „Flamencos Interruptus“. Hier ein Copperfield’scher Flug durch die Halle, da ein TV-Kochkurs: „Pommes bordelles – Kartoffelpuffer“. Dazwischen musikalische Reminiszenzen an seine Jugend – „Honeypie“, „Tiptoe through the tulips“ – und rasante Hitparaden – Adaptierungen von der Kelly Family bis zu Herbert Grönemeyer. Nicht zu vergessen seine Sting-Cover-Version, die aus dem „Englishman in New York“ den kleinen Friesenjungen hinterm Deich macht. Bruch- und mühelos fügt sich eins ans andere. Sein Gang, seine Mimik und seine grenzenlose Geräuschpalette – alles bewährte Lachmacher, die keine Pause aufkommen lassen – und einige allzu lange Bärte gnadenhalber in die Unauffälligkeit verbannen.
Sein Publikum – zwischen 8 und 80 – dankt es „Ottilein“ mit minutenlangen tosenden Ovationen: „Wenn es Euch gefallen hat: Mein Name ist Otto Waalkes. Wenn nicht, heiße ich Helge Schneider.“
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