Gegensätzlicher geht’s kaum
Eine unabhängige 17-köpfige Jury, bestehend aus anerkannten Fachjournalisten österreichischer Medien, hat am vergangenen Samstag die Sieger der “Österreichischen Kleinkunstpreise 2004” ermittelt.
kabarett.at / 8. November 2004
Den Hauptpreis gewinnen Rupert Henning (Darsteller & Co-Autor), Florian Scheuba (Co-Autor) und Erwin Steinhauer (Darsteller) für ihre Produktion “Freundschaft”, die vergangene Woche im “Rabenhof” ihre Premiere erlebt hat.
“Freundschaft” ist brillantes Politkabarett in der Tradition des “Herrn Karl” oder Thomas Maurers “Die neue Selbständigkeit”. Das Zweipersonenstück mit Nummernrevue-artigen, höchst unterhaltsamen Einschüben beschäftigt sich mit dem gegenwärtigen Zustand der sozialdemokratischen Partei, ohne anbiedernd zu sein: Schlag auf Schlag, Pointe auf Pointe werden Lebenslügen aufgedeckt und Legenden zerstört. Das Streitgespräch zwischen dem alten SP-Funktionär, der an den scheinbar überkommenen Parolen festhält, und seinem Sohn, einem Werbemanager, ist rasant, geistreich, schonungslos, voll bitterer Wahrheit und zudem ein Rundumschlag, der auch Tabuthemen aufgreift. Getragen wird der Abend ganz besonders von Erwin Steinhauer als desillusionierter und weinseliger Ex-Bürgermeister von Purkersdorf, der, um ein Bonmot von Doron Rabinovici abzuwandeln, “voll Optimismus in die Vergangenheit blickt”. Rupert Hennings zynisch-hysterischer Neunmalklug hingegen blickt “voll Pessimismus in die Zukunft” – zumindest jener der Sozialdemokratie.
Im Namen der Jury : Thomas Trenkler, „Der Standard“
Der Förderpreis geht an Martin Puntigam und Clemens Haipl für ihr im April 2004 präsentiertes Programm “meet & greet”.
In “meet & greet” erschaffen Martin Puntigam und Clemens Haipl eine Welt, in der Handys wie Joseph Goebbels klingen und Gesamtschulen nach Jeffrey Dahmer benannt sind. In absurden Dialogen, die immer wieder unerwartete Haken schlagen, erzählen die beiden Humorextremisten die Geschichte einer Männerfeindschaft. Mit “meet & greet” wird das mutigste, verrückteste und eigenwilligste Programm des Kabarettjahrs 2004 ausgezeichnet. Förderungswürdig erschien der Jury insbesondere das Blockflötenspiel der Künstler.
Im Namen der Jury : Wolfgang Kralicek, “Falter”
Beide Preise werden von “Premiere Austria” gestiftet und sind mit jeweils 7500 Euro dotiert. Damit sind die “Österreichischen Kleinkunstpreise” die höchstdotierten im gesamten deutschsprachigen Raum. Der in den 80ern auf Betreiben des Linzer “Posthofs” und des Wiener “Spektakels” ins Leben gerufenen “Österreichische Kleinkunstpreis” gilt aber keineswegs nur deshalb als eine der maßgeblichsten Würdigungen auf kabarettistischem und kleinkünstlerischem Gebiet. Anfänglich wurde er jährlich, später im 2-Jahres-Takt verliehen. Preisträger waren u.a. Andreas Vitasek, Alfred Dorfer und Josef Hader. 1994 fand die bislang letzte Verleihung statt: an Roland Düringer für sein Solo-Debut “Hinterholzacht”. Dann fiel der “Österreichische Kleinkunstpreis” in einen Dornröschen-Schlaf, aus dem er mit tat- und finanzkräftiger Unterstützung von “Premiere Austria” heuer wieder erweckt werden konnte.
Somit sind 10 Jahre zuende gegangen, in denen es in Österreich – mit Ausnahme des von ORF, SRG und ARD verliehenen Radio-Kabarettpreises “Salzburger Stier” – keine Kleinkunst-Auszeichnung gab, der es gelungen wäre, dem Renommée und dem Stellenwert des “Österreichischen Kleinkunstpreises” auch nur nahe zu kommen. Die Wiederbelebung war also hoch an der Zeit. Nicht nur, um in Österreich wieder herausragende Leistungen auf dem Gebiet der Kleinkunst angemessen zu würdigen und zu fördern, sondern auch, damit Österreich endlich wieder einen Kleinkunstpreis hat, dem auch im Ausland die gebührende Anerkennung gezollt wird.
Die in Anbetracht der Preisträger humoristisch höchst abwechslungsreich zu werden versprechende Gala findet am 12. Dezember um 20 Uhr im Wiener “Orpheum” statt. Sowohl “Haipl & Puntigam” als auch “Steinhauer & Henning” werden im Rahmen der Veranstaltung Auszüge aus ihren ausgezeichneten Programmen präsentieren. Die Überreichung der Preise wird Roland Düringer, der letzte Gewinner des “Österreichischen Kleinkunstpreises”, vornehmen. Karten sichern ! (“Orpheum”, Tel. 481 17 17)
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