Die Paprikahendlhaut des Bilderbuchathleten
Reinhard Nowak – “Sport”
“Es lebe der Spoat, er ist gesund und macht uns hoat”
“Der große Sport fängt da an, wo er längst aufgehört hat, gesund zu sein.”
Reinhard Fendrich / Bertolt Brecht
kabarett.at / 5. November 2004
Der Nowak kann es nicht fassen. Da wird ihm vom Veranstalter vorab angekündigt, dass die Vorstellung mangels Publikum abgesagt wird – und dann sitzen da plötzlich 100 erwartungsfrohe Menschen und stören ihn in seiner Konzentration. Diese gilt einzig und allein einem kleinen weißen Ball und einem mobilen Loch. Denn eigentlich wollte er den freien Abend und die leere Bühne zum Golf-Training nutzen. Und jetzt soll er plötzlich sein Programm spielen ! Mit dem nervösen Mut der Verzweiflung versucht er den Faden zu finden, kramt in seinem Gedächtnis nach den vorbereiteten Pointen, verirrt sich in Anekdoten und Erinnerungen, sprudelt, stockt, setzt neu an … kurz : er kämpft. So, wie er sein ganzes Leben gekämpft hat. Um Anerkennung, um Liebe – und um Siege.
Und weil der Nowak von Haus aus ein Nervenbündel ist, funktioniert das zappelige, vermeintlich unkonzentrierte Konstrukt seines vierten Soloprogramms “Sport” auf überzeugend authentische Weise. Ist es doch überdies über weite Strecken stark autobiographisch. Qualvoll durchlebt Nowak seine mit Frustrationen, Niederlagen und Katastrophen gespickte, sportliche Leidensgeschichte. Von seinem ersten großen Auftritt als Bodenturner in der Stadthalle – der zur Folge hatte, dass ihn sein Vater ersuchte, hinkünftig nur noch mit dem Vornamen zu unterschreiben – über seine demütigenden Eishockey-Erfahrungen – in weißledernen Damen-Eiskunstlaufschuhen aus der Tauschzentrale – bis hin zu seinen beruflichen Versuchen als Tennislehrer und der großen Erleuchtung namens Golf. Ganz abgesehen von der Erkenntnis, dass der mörderische Sport eine Art evolutionäre Notbremse gegen die Überbevölkerung darstellt: „Eine nachträgliche Geburtenkontrolle der Natur.” Und, dass man schlussendlich in jeder Sportart nur gegen sich selber antritt.
Außer Hammerwerfen und Synchronschwimmen habe er wohl jede Sportart ausprobiert – und im Zuge dessen seine Grenzen und Möglichkeiten bis zur letzten Konsequenz gnadenlos ausgelotet. Denn seine Versuche, trotz geringer Körpergröße und Sehschwäche zumindest auf sportlichem Gebiet besser zu sein, als die Anderen, waren stets zum Scheitern verurteilt. Weil er immer unbedingt besser sein wollte. Weil er oft trotz technischer Überlegenheit ein ums andere Mal über seine Verkrampftheit und seinen manischen Siegeswillen gestolpert ist. Schmerzhafte Stürze, die ihm nicht nur diverse chirurgische Noteingriffe sondern auch etliche seelische Narben eingebracht haben. Unter andrem immerwährenden Ekel vor Paprikahendlhaut, mit der er während einer Sportwoche gemästet wurde.
Eine Ironie des Schicksals, dass die ursprünglich bereits für 2002 geplante Premiere dieses Programms u.a. der Rache für den heftigen Raubbau an seinem Körper zum Opfer fiel. In “Sport” ist der Nowak jetzt wieder ganz er selbst. Also so, wie man ihn unweigerlich mögen muss. Aufbrausend und jammervoll, himmelhoch jauchzend und dann wieder dermaßen zu Tode betrübt, dass man ihm jeden Tränenausbruch glauben würde. Er plaudert, brüllt, lacht und spielt mit herzzerreißender Intensität. Nowak, wie er leibt und siecht. Kein kabarettistischer Meilenstein, aber ein tragikomisches, selbstironisches Stand-up-Solo (Co-Autor und Regie: Klaus Pieber), das trotz seines thematisch engen Rahmens – ausgerechnet Sport ! – abwechslungsreiche Kurzweil bietet. Nicht nur Premierengast Rainer Pariasek hat sich königlich amüsiert.
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