Abschweifende Ratlosigkeit
Der Standard 03/2001
Während sich seine kabarettistische Kollegenschaft in letzter Zeit mit Feuereifer der politischen Analyse widmet, vermittelt Lukas Resetarits den Eindruck, er wende sich zermürbt ab. Scheinbar ziellos kramt er in seinen Erinnerungen, fördert in einer einstündigen Conférence allerlei persönliche Memorabilia zutage – und durchstreift “Niemandsländer”: Märchenwälder und Mittelstreifen, Shopping-Center und Mikrokosmen. So lernen wir u.a., dass Mäuse über den Kot von Katzen Einzeller aufnehmen, die ihre Instinkte vehement beeinflussen: letztendlich mit letalen Folgen, weil sie plötzlich die Nähe zu Katzen suchen. Wer will, kann das im übertragenen Sinn verstehen.
Plaudernd und gedämpft pointiert zieht Resetarits weite Kreise, in deren Verlauf immer wieder Zeit bleibt, sich die Frage zu stellen: Warum erzählt er mir das?
Und wohl, weil er sich des auf die Dauer etwas irritierend schalen Beigeschmacks derartiger, gelegentlich metaphorisch umhüllter Beiläufigkeiten bewusst ist, schreitet er nach der Pause auch zu handfesteren Bestandsaufnahmen. Insbesondere bezüglich des Sparkurses, zu dessen Treffsicherheit er im Gesundheits- und Bildungswesen noch einiges beizutragen wüsste: “Zwei Jahre Pflichtschule sind genug.” Danach könne jeder Werbe- und Wahlplakate ebenso lesen, wie die Schlagzeilen des Kleinformats. “Alles andere ist Ballast” – und somit der Nährboden für überflüssige Querulanten.
“Solche Leute brauchen wir nicht”, zitiert Resetarits die Vizekanzlerin, deren Argumentationstechnik übrigens eng verwandt sei mit dem Blasen eines Didgeridoos : Dauerreden durch Kreisatmung. Inhaltlich beeinträchtigt allerdings durch die damit einhergehende, eklatante Sauerstoffuntervorsorgung.
Wenn schon Resetarits selbst über weite Strecken in “Niemandsländer” emigriert, statt den einfacheren Weg zu gehen, sich mit intelligent anmutenden Hintergründigkeiten um seine eigene Ratlosigkeit herumzuschummeln, ist es wohl legitim, auch als Rezensent ein wenig ratlos zu sein. Vielleicht sind ja seine harmlosen Reminiszenzen an früher, als das Leben noch langsamer, ungenauer, aber individueller ablief, nur als Sorglosigkeit verbreitende Vorboten für das dicke Ende gedacht. Eine Rechnung, die ihm diesmal weit weniger aufgeht, als in seinem letzten Programm “Ich tanze nicht”, das über einen erstaunlich stabilen Spannungsbogen verfügte. Nicht zuletzt dank einer deutlich größeren Portion satirischen Witzes. Ein Kriterium, über das er diesmal erhaben scheint. Oder, ihm ist zur Zeit einfach nicht besonders nach lustig zumute. Das ist zumindest nachvollziehbar – und erhebt “Niemandsland” in den Rang eines besonders ehrlichen und authentischen Programms. Dergestalt Unangestrengtes unaufdringlich serviert zu bekommen, ist allemal angenehmer, als umgekehrt.
0 comments on Abschweifende Ratlosigkeit