Was gibt es Neues?
Falter 11/2012
Es tut sich wieder etwas im Kabarett. Nach einer längeren, eher unspektakulären Phase der personellen Konsolidierung sorgen jüngst neue Namen für frischen Wind in der Kleinkunst-Szene. Vor allem Graz und Klagenfurt bereichern die Bühnen mit bemerkenswerten Newcomern. Welche davon in Zukunft öfter und regelmäßiger auf den Spielplänen zu finden sein werden, hängt nicht zuletzt von der Publikumsresonanz ab. Doch woher soll man vorher wissen, wessen Witz womöglich den eigenen Geschmack am ehesten trifft ? Ist’s RaDeschnigs oder Ratschillers ? Möge der folgende Wegweiser Orientierungshilfe bieten.
Gerade einmal drei Jahre ist es erst her, dass der 30-jährige FM4-Humorbeauftragte Hosea Ratschiller den Schritt auf die Kabarettbühnen wagte. Sein Solo-Debut war ein wahrhaft mutiges. In „Liebe Krise“ verkörperte der Klagenfurter nämlich einen blasierten Kärntner Karriere-Künstler, der sich großmütig dazu herabließ, seine Fans an seinen selbstgefälligen Lebenserinnerungen teilhaben zu lassen. Alles andere als ein Sympathieträger also. Der Witz lag schon bei dieser Figur oft in dem Kontrast zwischen der völlig entspannten Selbstverständlichkeit, mit der sie immer wieder kleine Ungeheuerlichkeiten und groteske Bodenlosigkeiten vom Stapel ließ.
Hosea Ratschiller
„Ratschiller bringt mit weicher Stimme harte Pointen über die Bühne“ hieß es dann auch in der Urteilsbegründung für den Förderpreis des „Österreichischen Kabarettpreises 2012“, den er am Montag für sein aktuelles, zweites Soloprogramm „Das gehört nicht hierher“ verliehen bekommt. Dass er gleichzeitig auch für sein Live-Programm „Die FM4 Ombudsmann Dienstreise“ ausgezeichnet wird, ist dem zwar rührend verschrobenen, aber immer wieder Abgründe offenbarenden Protagonisten dieser schrägen Lebenshilfe-Show alles andere als recht : „Der Versuch, meiner aufklärerischen Arbeit jede Brisanz zu nehmen, indem man sie mit einem Kabarettpreis verhöhnt“, ließ der Ombudsmann verlauten, „muss auf das Schärfste zurückgewiesen werden.“
Die „Jessica“ indes hat damit bestimmt kein Problem. Eine ignorant-arrogante Tochter aus höherem Haus mit diesem typischen, hohl-herausfordernden Blick, die in dem „Ombudsmann“-Abend einen denkwürdigen Gastauftritt hat – und mit deren Verkörperung Ratschiller auch seine präzise Wandlungsfähigkeit in Gestik und Grammatik belegt. Ein Bravo erntet er von der ÖKP-Jury schließlich auch noch dafür, dass er sich keinesfalls dem Publikum anbiedere. Stimmt.
Paul Pizzera
Das kann man dem erst 25-jährige Grazer mit dem idealen Namen für einen italienischen Schnellimbiss auch nicht vorwerfen. Paul Pizzera kann ja nichts dafür, dass er von Natur aus sympathisch über die Bühne kommt. Vor allem bei einem jungen Publikum punktet der ehemalige „Chef vom Dienst“ im Grazer Theatercafé – „Eigentlich Platzanweiser und Künstlerbetreuer“, erklärt er, „ aber Chef vom Dienst klingt besser“ – mit seinen frechen und selbstironischen Liedern vorrangig über Verwandte und Verflossene : gewitzt getextete Cover-Versionen diverser Hits von „Motörhead“, „Nirvana“, „Seeed“ oder „Aqua“. Das kommt bei der Zielgruppe ebenso gut an, wie sein Hang zu etwas pubertärer Provokation mit Pointen aus dem Scham- und Steißbereich. Ein flott-fröhlicher Spaß, in dem nur selten ernsthafte, böse Satire aufzuflackern vermag. Dieser Spagat ist jedoch sein erklärtes Ziel : „Für mich ist Martin Puntigam der beste und Mike Supancic der lustigste Kabarettist“, umreißt er die angestrebte Bandbreite. Die noch etwas mangelnde Hintergründigkeit macht der gelernte Germanist und geübte Slam-Poet derweil mit seinem lausbübischen Charme wett. Erfolgreich. Denn dafür, dass Pizzera erst vor rund eineinhalb Jahren den Nachwuchswettbewerb „Grazer Kleinkunstvogel“ mit ersten Vorboten seines Debut-Programms „Zu wahr, um schön zu sein“ gewinnen konnte, ist der ehrgeizige Entertainer schon ganz gut im Geschäft.
BlöZinger
Nicht zuletzt im Kabarett-Kombinat der alle zwei Jahre neu und mit vielversprechenden Weniger- und Unbekannten besetzten „Langen Nacht des Kabaretts“ – an der Seite des schon etwas bekannteren Duos „BlöZinger“, dem seinerseits mit seinem aktuellen Programm „ErIch“ endlich ein großer Wurf und ein beachtlicher Schritt gelungen ist. Robert Blöchl und Roland Penzinger sind ja eigentlich alles andere als neu im Geschäft. Hatten ihre bisherigen Werken aber oft noch einen etwas unangenehm an Kindertheater gemahnenden, clownesken und zwangsoriginellen Beigeschmack, ordnen sie ihr gereiftes und präzises Rollenspiel in „ErIch“ einer gewitzten, mit vielen pointierten Details gespickten und filmschnittig präsentierten Story unter : Ein etwas entfremdetes Brüderpaar gerät beim Begräbnis des Vaters in diverse familiäre und verbrecherische Verstrickungen. Ein zunehmend rasantes, spaßiges Roadmovie mit grotesken Einschlägen.
Flüsterzweieck
Nur schwer einzuordnen – und das ist in einer Szene, in der sich bewährte Erfolgsrezepte zumeist gegen innovativen Mut durchsetzen, bereits höchst beachtlich – ist das Duo „Flüsterzweieck“. Die Germanistik der „Karl-Franzens-Universität“ scheint ein guter Nährboden für kreative Spaßvögel zu sein. Ulrike Haidacher und Antonia Stabinger haben ihre ganz eigene Art von „Theaterkabarett“ entwickelt. Mit ihrem Faible für verspielte Sprache entlarven sie Floskeln, entblößen Zitate, verdrehen Phrasen – und fügen sie dann mit humoristischem Scharfsinn in die Zwiegespräche ihrer knapp vor der Karikatur eingebremsten, kuriosen Charaktere ein. In ihrem aktuellen Programm „Wie im Film – nur ohne Walter“ widmen sie sich den Kommunikationshülsen und Gesprächsattrappen in zwischenmenschlichen Beziehungen. Ihr Witz lauert dabei an unvermuteten und daher umso wirksameren Stellen. Kein Wunder, dass die infantilen Turteltäubchen-Telefonate aus ihrem Debut-Programm mit dem bezeichnenden Titel „selbstredend. wahnsinnig! [humor zweipunktnull]“ inzwischen von FM4 zu einer Radio-Miniserie adaptiert wurden. „Ihre großartigen Einfälle, auch beim Kostüm- und Rollenwechsel“, streut den beiden auch ORF-Kabarett-Redakteur Peter Wustinger Rosen, „erwecken den Eindruck, dass man bei einem absurden Ionesco-Stück ist, das von Loriot inszeniert wurde.“
RaDeschnig & Marcel Mohab
Eine gute Gelegenheit, diese Kleinkunstkomik einem persönlichen Kompatibilitätstest zu unterziehen, bietet die Veranstaltungsreihe „Gemischte Platte“, die einmal im Monat im „Tachles“ und ab Jänner auch im „Niedermair“ stattfindet. Zumal bei diesen bunten Abenden für Newcomer auch noch ein zweites beachtenswertes Damen-Duo zugange ist: „RaDeschnig“. Die Kärntner Zwillingsschwestern (28) präsentieren in ihrem musikalisch tadellosen, szenischen Kabarett „A Zimmerl fürs Leben“ ein von allerlei schrägen Gestalten bevölkertes Seniorenwohnheim der Zukunft. Um ein Haar wäre ihnen damit vergangene Woche der Sieg im Nachwuchs-Wettbewerb um den „Goldenen Kleinkunstnagel“ in der löblichen Kabarett-Talenteschmiede „Theater am Alsergrund“ geglückt. Dank der Publikumswertung gewonnen hat ihn aber Marcel Mohab – und das mit seinem allerersten Kabarett-Auftritt in Österreich! Der zuletzt in Berlin engagierte und aus Graz stammende Schauspieler kombiniert Slapstick mit skurriler Komik, parodiert Zauberer und andere Posen-Reißer, stottert dabei ein rudimentäres Englisch und bricht auch sonst einige Erwartungshaltungen. Am schönsten jene, die er selbst in seinen Szenen kunstvoll aufbaut. Der Mann steckt voller Überraschungen. Die ersten abendfüllenden Auftritte mit seinem Debut-Programm „Animal Funk“ sind in Planung.
0 comments on Was gibt es Neues?