Außerirdisch
Der Standard 11/1999
Wir leben in Zeiten, in denen sich der Begriff “Comedy” zunehmend über jene windkanalgetesteten Sketch- und Pointen-Paraden des Fernsehens definiert, in denen zumeist schaumschlägergeborene Spaßprodukte aus affrontalen Scherzkübeln den gebrüllten Ton angeben.
Wer schallgedämpft und unspektakulär daherkommt, hat es schwer. Zur Österreich-Premiere des neuen “Comedy”-Programms “Aliens” von Paolo Nani fanden sich nicht einmal 50 Zuschauer in der “Kulisse” ein. Oh, Schande ! Nun gut, es ist nichts weltbewegend Neues, was uns der in Dänemark wohnhafte italienische Mime und Komiker mitgibt, aber das Wie ist schlußendlich entscheidend.
In “Aliens” spielt Nani einen reiselustigen Außerirdischen – und steht damit sofort vor einem Problem : Schließlich beruht die Pantomime auf Wiedererkennungseffekten. Wo es nichts wiederzuerkennen gibt, hat die Pantomime keinen Auftrag. Die Darstellung von Gott ist genauso schwer.
Es sind diese selbstironischen sidesteps und Fehlstarts, die Nani immer wieder nuzt, um aus seiner Geschichte auszusteigen und eine zweite, autobiographische und entsprechend authentische Handlungs-Ebene einzuziehen. Am Ende verschmilzt sie mit der Spiel-Ebene : Wenn der “Alien”, der sich für seinen Ausflug auf die Erde einen menschlichen Körper zulegt und schon bei der Erarbeitung dessen Funktionsweisen mit hinreißenden Schwierigkeiten zu kämpfen hat, schließlich auch noch versucht, sich die irdischen Umgangsformen anzueignen, ist er plötzlich ident mit jenem kleinen Kind Paolo, das im Programm-Prolog ungeniert zu seinen Mitmenschen Kontakt gesucht hatte.
In “Aliens” geht es um die Angst vor allem Fremden und um die Einzigartigkeit jedes Individuums : Ein Plädoyer für Offenherzigkeit und Unkonventionalität. Riecht in gedruckter Form womöglich ein wenig nach Predigt. Doch keine Sorge : Wer die 10-fache Schwerkraft beim Start einer Rakte requisitenfrei zu verkörpern vermag, kraft seiner aberwitzigen Stimmartistik eine ganzen Soundtrack zuwege bringt und mit einem simplen Satz Kleidungsstücke derartig verblüffende Kapriolen vollführt, wie Paolo Nani, gerät keine Sekunde in Gefahr, auf artifiziell-pathetisches Terrain abzugleiten. “Aliens” ist ein stellenweise saukomisches, eigentlich ganz simples und daher umso zu Herzen gehenderes Kleinkunstwerk eines Meisters seines Metiers – und steht in der “Kulisse” noch bis Samstag zur Wiedergutmachung zur Verfügung.
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