Der Kontrast, die Komik und die Crux
Der Standard 03/2001
Das Leben in einer Linzer Stadtrand-Siedlung ist kein Honiglecken nicht. Schon gar nicht für einen hoffnungsvollen Autor, den es nach dem Duft der wahrhaft schönen und reichen, weiten Welt dürstet. Also wirft sich Ludwig Müller in seinem neuen Solo “Blaues Blut” in – verzweifelte Fluchtabsicht signalisierende – knallrote Schnürlsamt-Schale und verpasst sich das Pseudonym Bianca Sandrelli, um fürderhin als Groschen- und Fürstenroman-Autor die gehobeneren Prominenten-Kreise auf der Suche nach erhabenen und edlen Stoffen für sein literarisches Schaffen zu durchstreifen. Ein in Anbetracht der heimischen Elite von eigenen Gnaden naturgemäß zum Scheitern verurteiltes Vorhaben. Denn um deren Treiben in eine hehre Hochglanz- und Glamour-Welt zu transponieren, bedarf es schon einer beträchtlichen Portion Realitätsverweigerung.
Der Kontrast zwischen Form und Inhalt birgt die Komik – aber andernorts auch die Crux. Denn Müllers fünftes Solo ist stellenweise deutlich erzählerischer und hintergründiger als seine Vorgänger, die Präsentation aber bleibt unverändert plakativ. Gut geeignet für seine eigenständig sprachverspielte, bestens bewährte aber inzwischen stellenweise doch schon etwas aufgewärmt wirkende Nonsense-Poesie. Weniger hingegen für seine kuriosen Satiren, denen es – Schwamm über die eine oder andere öde Erlässlichkeit – an schrägen Figuren (Kardinal Kevin !) und amüsanten Einfällen nicht mangelt : Ob er nun aus dem Tagebuch eines Analphabeten zitiert, Napoleon nach allzu üppigem Genuss Tiroler Hausmannskost “Leberté, Blasenté, Nierenté” verordnet, auf der Kommandobrücke seines Gehirns seine Mama beim Aufräumen antrifft oder einem Mordopfer Teilschuld zuspricht : “Zum zerstückelt werden gehören immer noch Zwei.”
Die kabarettstilistische Schwerpunktverlagerung zugunsten derartiger, pointierter Phantastereien bringt Müller zwar nicht aus der Balance, aber mit adäquateren Gangarten könnte er auf seinem neuen, erfreulichen Weg noch bedeutend eleganter wirken.
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