Das Mitsummen der Unmündigen
Thomas Maurer und Florian Scheuba üben sich in politischem Seminarkabarett. “Zwei echte Österreicher” als Trittbrettfahrer auf einem längst abgefahrenen Zug?
profil 10/2003
Das Prinzip ist bekannt. Und das nicht erst, seit Bernhard Ludwig mit seinen Seminarkabarett-Soli „Anleitung zum Herzinfarkt” oder „Anleitung zur sexuellen Unzufriedenheit” auf der Erfolgswelle reitet. Trägt ein Buch oder ein Programm das Gegenteil dessen im Titel, was gemeinhin als erstrebenswert gilt, ist spätestens seit Paul Watzlawicks Bestseller „Anleitung zum Unglücklichsein” klar, dass es sich dabei um eine ironisch gemeinte, provokative Therapie handelt. Je amüsanter, umso besser, weil eingängiger und daher wirksamer. Nichts Neues. Und daher umso verwunderlicher, dass sich ausgerechnet zwei üblicherweise doch originelle und scharfsinnige Polit-Kabarettisten wie der für sein letztes Solo „Die neue Selbständigkeit” immerhin “Nestroy”-nominierte Thomas Maurer und „Hektiker” Florian Scheuba mit ihrem neuen Programm „Anleitung zur politischen Unmündigkeit” (Regie : Rupert Henning) dieses abgedroschenen Stilmittels bedienen. Mit Flip-Charts und erhobenem Zeigefinger gegen die politische Unmündigkeit ? Das kann ja wohl nicht ihr Ernst sein.
„Gerade als politischer Kabarettist, der zwangsläufig wertet, ist man doch immer auch ein wenig Oberlehrer”, gesteht Scheuba, „auch wenn du noch so cool, zynisch und abgebrüht bist, hast du ja doch tief in dir drin die ganz vage Hoffnung, dass du vielleicht bei dem Einen der Anderen im Publikum etwas bewegen kannst. Da wäre doch die Form des Seminarkabaretts die ehrlichere.”
Wäre, wohlgemerkt. Denn bei Maurer & Scheuba steckt im Programm-Titel eine doppelte Ironisierung. Formal bleiben sie zwar im Rahmen eines Seminarkabaretts, inhaltlich wird aber – neben der erwartungsgemäßen Behandlung der Politik – auch genau dieses Prinzip der moralisierenden Besserwisserei auf die Schaufel genommen. Denn es bleibe ja wohl „der feuchte Traum eines Kabarettisten”, ergänzt Scheuba, „dass eines Tages Wolfgang Schüssel in der ersten Reihe aufspringt und ruft : Ich Trottel ! Warum bin ich da nicht selber draufgekommen ?”
Aufklärung und „Einsicht durch Erkenntnis” sei das Gebot der Stunde. Allein schon an den geringen Reaktionen der Öffentlichkeit auf die unveröffentlichten Aktien-Besitztümer einiger Regierungsmitglieder sei erkennbar, wie weit die Abstumpfung weiter Teile der Bevölkerung schon fortgeschritten sei. Maurer : „Wenn sich in einem Splatter-Horror-Film jemand beim Zwiebelschneiden die Nagelhaut einreißt, erregt das eben kein Aufsehen mehr.”
Wenn die Zuschauer dann auch noch aufgefordert werden, mittels des von Bernhard Ludwig eingeführten, unauffälligen Mitsummens Mehrheitsverhältnisse im Publikum hörbar zu machen, gerät ihnen ihr Programm schon fast zu einer Parodie auf das Genre des Seminar-Kabaretts.
„Wir machen nur Angebote, wir können niemanden zwingen”, bemüht Maurer ganz bewusst eine der fragwürdigeren Floskeln diverser Persönlichkeits-Trainer. Selbstverständlich gehe es ihnen um den „Individualnutzen für jeden Einzelnen”, setzt Scheuba nach. Allein der letzthin leidgeprüften FPÖ-Wählerschaft haben sie nur wenig Aufmunterndes zu bieten : „Also die summen lassen, täte ich mich nicht trauen”, höhnt Scheuba, „da sollten wir eher bald auf Minderheitenschutz umschwenken.”
Demzufolge spielt auch Jörg Haider, dem in ihrem ersten Programm „Zwei echte Österreicher” noch eine ganze, entlarvende Halbzeit gewidmet war, diesmal keine Rolle mehr. Ausgeschieden wegen Unerheblichkeit. Scheuba : „Ich würde sagen, sein Rollenfach ist zur Zeit das von Christine Schuberth : schrill, schräg und ein klein wenig verrückt – aber jeder weiß, früher war sie einmal die Mutzenbacherin.”
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