Saftiges Organ mit Kraut und Rüben
Eva Maria Marold – „Mutter, lass mich in Ruh“
kabarett.at / 15. März 2005
Viel Glück mit Männern hat Helga in ihrem Leben nicht gehabt. Die erste große Liebe namens Herbert verfließt wegen eines bei einem Seitensprung geplatzten Sportgummis an die örtliche Wirtshaus-Tochter. Und aus der stimulierenden Beziehung zu Herberts pflegeleichtem Nachfolger, einer Sex-Puppe namens Hans-Joachim, ist schon bald die Luft draußen. Auch beruflich läuft bei der tanz- und gesangsbegeisterten Helga nicht alles nach Wunsch. Denn der lautet : Im Bett bleiben, Karriere machen und viel Geld verdienen. “Aber den Job wollte ich dann doch nicht.”
Womit die nahezu vollinhaltliche Nacherzählung der nicht sonderlich originellen inhaltlichen roten Fäden des zweiten Solos von Eva Maria Marold abgeschlossen wäre. Aber um die geht es in “Mutter, lass mich in Ruh” (Regie : Dennis Kozeluh) ja auch gar nicht. Sondern viel mehr um all das, was die Musical-Darstellerin an ihnen im Verlauf des Programms alles aufhängt. In erster Linie natürlich Hits von “She works hard for the money” über Abbas “Knowing me, knowing you” bis zu Dolly Partons “9 to 5”.
Marold verfügt über eine Stimme, die schneiden wie schmeicheln und rocken wie rühren kann. Nennen wir es einfach ein geiles Organ, das es eigentlich schon lang verdient hätte, über die heimatlichen Grenzen hinaus Furore gemacht zu haben. Zusammen mit der Band – Christian Frank (kb), Willi Langer (b), Harry Peller (g) und Gerald Gratzer (dr) – sorgt sie für angemessen ausgelassene Begeisterung im Publikum. Selbst wenn sie mit Zahnbürste im Mund singt oder bei Ausdruckstanzeinlagen gekonnt gegen die Wand knallt. Schonungslose Selbstironie ist die große Stärke von Eva Maria Marold. Das Musical-Genre ist ihr nämlich ganz offensichtlich alles andere als heilig. Oft wirkt sie geradezu wie das sympathische Antithese zu dem, was man sich unter einem Musical-Star landläufig so vorstellt. Von Allüren keine Spur. Marold kaut stattdessen lieber an ihren Fußnägeln.
An Abwechslungsreichtum mangelt es diesem Programm jedenfalls nicht. Marold verbrennt Hochzeits-Fotos, bastelt sich eine Nachttischlampe aus einem Dildo, zeigt rührende Super-8-Filme aus ihrer Kindheit u.v.a. Eine Dia-Show mit einer flotten Abfolge stellenweise witzig arrangierter Portraits prominenter Mannsbilder (von Brad Pitt über den Papst bis Saddam Hussein) endet allerdings mit einem rätselhaften Zoom auf den Metropol-Chef Peter Hofbauer. Dieser Schluss-Gag bedarf dringend Erklärung. Ist’s ein Kniefall vor dem edlen Hausherrn ? Ist’s ein ironischer Seitenhieb ? War es ein Regiefehler ? Oder hat das Metropol selbst das Bild hineingeschummelt ? Nie werden wir es erfahren …
Für besonderes Aufsehen sorgt natürlich die leibhaftige Barbara Karlich, die Marold samt 7-köpfiger Trausdorfer Tamburizza in einem Albtraum heimsucht, und ein Gastauftritt von Sänger Reinwald Kranner, der als alkoholisierter Fußballspieler eine anfänglich geradezu grandios falsch gegröhlte Version von “Love hurts” zum Besten gibt. Eine private Abrechnung von Marold, die sich dem Durchschnittspublikum aber wahrscheinlich ebenso wenig vermittelt, wie so manch andere Musical-Insider-Scherze.
Fazit : Marold gibt mit “Mutter, lass mich in Ruh” eine kurzweilige Visitenkarte ihres vielseitigen Könnens ab. Ein aufwändiges Konzert, dicht durchwachsen von kuriosen Kräutern und Rüben, deren Wirkung zwischen erfrischend und ernüchternd, schamlos und harmlos pendelt. Viele Einfälle, die seltsames Stückwerk wären, wenn man ihnen nicht wohlwollend zugesteht, dass sie sich zu einer Personality-Show zusammenklammern lassen. Einer Personality-Show, mit der sie vor allem ihre Fans befriedigen dürfte. Und sich selbst. (pb)
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