Autobahnbrückenwinker
Malediva – „Heimatmelodie“
Schweine in T-Shirts und Lutscher aus Pappe: „Wir haben gelacht, bis wir kotzen mussten.“
kabarett.at / 30. April 2005
Kindheit auf dem Land ! Fern der Großstadthektik, inmitten unendlicher Natur. Ein Traum ! Lo und Tetta haben diesen Traum gelebt – und schwelgen in gemeinsamen und gelegentlich gegensätzlichen Erinnerungen. Zur Klarstellung : von eitel Wonne keine Spur. Die ersten Zeilen ihrer offiziellen Biografie geben die Richtung vor : “Tetta Müller und Lo Malinke sind geboren und aufgewachsen im Nordhessischen Bergland. Dort wird die Geburt eines Kalbes mit einem Klaren begrüßt und das neugeborene Kätzchen im Dorfbach ertränkt. Und alle Kinder wissen: man freut sich besser nicht zu früh.”
Rund um die bereits aus ihrem Debut stammende Hymne “Da geht kein Bus mehr” – aka “Auf’m Land” – erzählen und besingen “Malediva” in ihrem vierten Programm surrealsatirische, zartbittere Geschichten aus ihrem kleinen Heimatstädtchen. Wo der Schlachter immer erst Streit mit den Schweinen anfängt, damit ihm der Bolzenschuss leichter fällt. Wo die 3-Jährigen nach der entwürdigenden Wurstscheiben-Fütterung an der Fleisch-Theke einfach stehengelassen werden : Wer zuerst nach hause findet, bekommt zur Belohnung einen Papplutscher. Und wo die Erziehungsberechtigten täglich aufs Neue den “Wer-zieht-sein-Kind-am-beschissensten-an”-Wettbewerb ausfechten. Kurz : Ein Dorf, aus dem Menschen hervorgehen, die eilig Vorbeifahrenden von Autobahnbrücken aus zuwinken. Ein dröhnendes Bild voll stummer Verzweiflung.
Vor dieser furchteinflößenden “Heimatmelodie” sind Lo und Tetta schon in jungen Jahren geflohen. Auf der Suche nach einem Zuhause, das etwas mehr Geborgenheit bietet, als die eigene Herkunft. Die Liebe, zum Beispiel. Aber auf die ist ja leider auch nicht immer Verlass.
Es ist nicht dumm, es mit der Liebe zu versuchen.
Es ist nicht dumm, doch so Vielen fällt es schwer.
Es ist nicht dumm, einen Urlaubsflug zu buchen.
Doch manchmal stürzt ein Flug direkt ins Meer
“Malediva” singen Lieder über Eifersucht, aufkeimende und erlischende Liebe – und darüber, wie man jemanden richtig verlässt. Und sie machen das mit einer offenherzigen Ehrlichkeit, deren schnörkellose Ungeschminktheit in faszinierendem Kontrast zu ihren Bleichgesichtern steht. Komisch und melancholisch, rührend und hinterhältig, ironisch und betörend, poetisch und dann wieder gnadenlos unsentimental kombinieren Lo und Tetta Abgründiges und Alltägliches mit den süßen, ohrwurmigen Melodien ihres Pianisten und Komponiste Florian Ludewig. Getreu dem Motto “Was sich liebt, das neckt sich” liefern sie sich in den zwischenzeitlichen Dialogen brillante Wortgefechte : pointierte Paraden und Reposten, giftige Finten und Flanken und punktgenau gesetzte Sticheleien am laufenden Band. Grandios!
Nicht ganz vier Jahre ist es her, dass “Malediva” erstmals in Österreich zu erleben und zu bestaunen waren. Im Rahmen von “Wien ist andersrum” sorgte das mit Begeisterung aufgenommene Trio dann auch in den folgenden Jahren für ausverkaufte Zelte und Etablissements. Wo, bitte, ist diese enthusiastische Fangemeinde jetzt ? Vor Freude geschlossen nach Berlin ausgewandert ? Zum Besuch von Kleinkunst-Veranstaltungen nur dann zu bewegen, wenn sie im Rahmen eindeutig ausgeschilderter “Festivals der Verlockungen vom anderen Ufer” stattfinden ? Hat sie Schwellenangst vor alteingesessenen Kabarett-Lokalen ? Oder vielleicht schon vergessen, wie die drei bezaubernden Jungs geheißen haben, bei deren Auftritten sie seinerzeit reihenweise in Seen aus gelachten und gerührten Tränen dahingeschmolzen ist ? Es gibt keinen einzigen vernünftigen, akzeptablen Grund dafür, warum die “Kulisse” bei den einzigen drei Wien-Auftritten von Malediva (29.4. – 1.5.) nicht aus allen Nähten geplatzt ist. Und doch war sie kaum halbvoll. Beschämend und ungerecht. Wie das Leben ja leider oft so ist. WienerInnen, die die hinreißende “Heimatmelodie” dieses beherzten Trios doch noch erleben wollen, müssen jetzt eine weite Anreise in Kauf nehmen. Zumindest denen geschieht Recht … (pb)
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