Kabarett-Konzert
Der Standard 10/1995
Die Musik hat sich bei Leo Lukas ihres schrägen Schattendaseins entledigt. Seit Jahren auf dem undankbaren zweiten Platz, knapp hinter dem Wort, steht sie nun erstmals auf dem Stockerl ganz oben. In den „Aboriginal Flying Borsinis“, den Grazer Jazz- und Freestyle-Größen Berndt Luef, Christoph Wundrak und Achim Tang, hat Kapellmeister Lukas bei der instrumentalen Umsetzung seiner kompositorischen Ideen drei kongeniale Partner gefunden. Fast wirkt es, als hätten seine Lieder nur darauf gewartet, von den Borsinis den spielerisch-harmonischen, mal kitschigen, mal avantgardistischen, aber immer professionell-phantastischen Anstrich verpasst zu bekommen. Mit tristen Klangfarbtönen verleihen sie dem erschütternden An-Klage-Lied „Hartheim“ mark- und beinerschütternde Schwingungen, und mit grellen Zwischentönen peitschen sie das funkige „Do it“ in den Rang einer Hymne der Sinnentleertheit.
In punkto „Wort“ ist Leo Lukas in diesem derzeit im Wiener Spektakel gastierenden Programm vor allem der Lanzenbruch für die – von ihm und dem Ehrenkapellmeister Simon Pichler so bezeichnete – „behinderte Lyrik“ ein Anliegen. Gedichte ohne Sinn und Zweck, ohne Pointe und Komma, die nur ob ihrer sprachverspielten Brillanz das Publikum zu tosendem Gelächter veranlassen. Wenn Lukas allerdings in der Rolle eines lethargischen Philosophen des Banalen zu einer Erzählung ausholt, deren betont penetrante Langatmigkeit er kaum durch das Stilmittel der realsatirischen Groteske zu relativieren bestrebt ist, wird einem klar, dass Kabarett phasenweise auch Schmerz bedeuten muss.
Antworten auf die brennenden Fragen der Existenz hat Lukas erfreulicherweise auch in diesem seinen feinen Musik-Kabarett nicht parat – höchstens die adäquaten Gegenfragen: „Wenn ein Zylinderkopf Dichtung vorträgt, ist das dann eine diplomatische Lesung ?“
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