Stand-up-and-leave-Comedy
„Wo ist ein Lee Harvey Oswald, wenn man ihn braucht ?“
kabarett.at 01/2006
Premierengästen, die am Montag ohne große Erwartungen ins Orpheum gekommen waren, ging es zur Pause noch am besten. Wer indes hoffnungsvoll oder gar vorfreudig zur Premiere von Giro de Lucas neuem Soloprogramm „Alter ego“ angereist war, konnte seine Enttäuschung kaum verbergen. Bei manchen schlug die Stimmung in Anbetracht des bis dahin Gebotenen gar in blanken Zorn um. Einige Foyer-Zitate gefällig : Er kann keine Pointe bringen! Er kann nicht g’scheit parodieren! Er hat nichts zu sagen! Und all das macht er mit einer derartig widerlichen Arroganz, dass man fast handgreiflich werden möchte!
So weit eine kleine Meinungsumfrage um 21:15 Uhr. Nur die Wohlwollendsten attestierten ihm immerhin vergebliches Bemühen, ungeschickte Dramaturgie oder Scheitern an der eigenen Nervosität. Aber jetzt mal ganz im Ernst: Premieren-Nervosität hin oder her – wer den Umstand, dass er zu Beginn eines Satzes offenbar noch nicht weiß, worauf dieser am Ende hinauslaufen soll, ständig mit ziel- und pausenlosem Gefasel zu kaschieren versucht, darf sich nicht wundern, dass die Bereitschaft, seinem Vortrag mit Aufmerksamkeit zu folgen, recht bald spürbar abnimmt. Da hilft ihm dann auch kein noch so altbekannter Fredi-Dorfer-Erzähl-Tonfall oder künstlich angelernte Comedy-Posen.
Kurz noch zum Inhalt, wenn dieser Begriff im zu verhandelnden Fall überhaupt gestattet ist: Das Thema „alter ego“ dient de Luca entgegen nahe liegenden Vermutungen nicht etwa dazu, sein Repertoire an TV-Comedy-Figuren aufmarschieren zu lassen, sondern als roter Faden durch ein stand-up-Potpurri.
Wobei „roter Faden“ und „stand-up-Potpurri“ dem einfallslosen Elend nicht wirklich gerecht werden. Der Begriff „alter ego“ ist nämlich in Wahrheit nicht viel mehr, als ein immer wiederkehrendes Fremdwort in einer an halblustiger Beliebigkeit kaum zu überbietenden trüben Brühe, in der sich etliche zugkräftige Promis tummeln: von Armin Assinger und Sepp Forcher über Gorbach und Grasser bis zu Reich-Ranicky und Gerda Rogers. Alles Gestalten, die schon bessere und pointiertere Parodien erlebt haben. Vereinzelte brauchbare Gags strampeln da fast schon vergeblich um ihr Überleben.
Nun aber zu der Tragödie zweiter Teil. Für diese verwandelt sich Giro de Luca in Frank Stronach. Unter dem Motto „Reich sein ist nicht alles, man muss auch Geld haben“ lässt er den austro-kanadischen Parade-Kapitalisten Lebens-Erinnerungen und –Weisheiten von sich geben – und liefert damit die mit Abstand gelungenste Parodie des Abends: Stronach verheddert sich in Redewendungen, stolpert über seine kunstvollen Metaphern und entlarvt dabei Stück für Stück im überzeugenden Original-Ton seine krude Weltanschauung.
Dass ihm diese Figur liegt, dürfte auch de Luca erkannt haben. Daher lässt er sie – mit Ausnahme einiger betont blonder Zwischentexte – auch gleich die gesamte zweite Hälfte bestreiten. Ein schwerer Fehler. Denn aus der Eintönigkeit wird schon bald Überdruss. Dabei hätte sich doch gerade Frank Stronach – von mir aus als Österreichs „alter ego“ – in viele kleine Häppchen zerteilt durchaus als running gag durch das ganze Programm angeboten. So aber endet denn das De-Luca-Jubiläumsprogramm (10 Jahre Solokabarett) mit einem sehr gelangweilten Nachgeschmack. Und der Erkenntnis, dass de Luca am erträglichsten ist, wenn er sich abseits klassischer stand-up-comedy ganz der Zur-Schau-Stellung einer Figur widmet.
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